Wildes Begehren
Ottila wand sich brüllend, warf sich mit seinem ganzen Gewicht zur Seite, um sich wegzurollen, und klammerte sich an allem fest, was er zu fassen bekam. Hektisch schlug er auf den goldenen Leoparden ein, traf Brust, Maul, Schultern und Vorderbeine, konnte ihn jedoch nicht davon abhalten, weiter an seinem Rückgrat zu nagen.
Ottila musste irgendwo einen Angriffspunkt finden, doch der goldene Leopard ließ sich nicht übertölpeln. Er schien jede Bewegung vorauszuahnen, obwohl er immer schwächer wurde, denn Ottilas heftige Gegenwehr forderte ihren Preis. Die tiefen Schrammen, die sich über Conners Gesicht und Oberkörper zogen, bluteten stark. Dennoch kam Ottila, so sehr er sich auch wand, nicht an seine Kehle heran. Stattdessen zog Conner ihn unaufhaltsam von dem Mann am Boden fort.
Dann begann Conner, sich mit seinen Krallen Zentimeter um Zentimeter an Ottila hochzuarbeiten, ohne auf den brennenden Schmerz zu achten, den der andere ihm mit seinen brutalen Hieben zufügte. Conner wusste, dass er keine
andere Wahl hatte, als den dunklen Leoparden festzuhalten. Er musste einen Weg finden, den tödlichen Biss anzubringen, doch seine Kräfte schwanden zusehends. Das verletzte Hinterbein brannte wie Feuer, der Schmerz war unerträglich. Am Ende verdrängte er alles, die Kampfgeräusche, die Qual, den Gedanken, dass Rio hilflos dalag, den Rauch, der über den Boden wirbelte und die Bäume verschleierte, alles – außer Isabeau. Das hier war für Isabeau. Er musste Ottila besiegen.
Mit voller Absicht beschwor Conner die Erinnerung an den gestrigen Abend wieder herauf: an ihre Blutergüsse, das Entsetzen in ihren Augen, die tiefen Bisswunden, die dieses Tier ihr zugefügt hatte, einfach nur, weil es dazu imstande war. Du wirst nicht überleben, auf gar keinen Fall . Nicht einmal, wenn das bedeutete, dass sie beide an diesem Ort starben. Ottila Zorbas Leben nahm ein Ende. Mit neu erwachter Kraft zog Conner den anderen Leoparden weiter unter sich, bis sein dicker Nacken direkt vor seiner Nase war. Dann bohrte er seine Krallen in Ottilas bebende Flanken, sodass er lang über ihm lag.
In einem letzten verzweifelten Versuch, ihn abzuschütteln, seinen furchtbaren Zähnen und Klauen zu entkommen, bäumte Ottila sich auf und warf Conner auf den Rücken, wobei er sich absichtlich schwer auf seinen Hinterlauf fallen ließ. Doch der goldene Leopard gab immer noch nicht auf. Wie ein Dämon hing er auf Ottilas Rücken und zog sich langsam weiter daran hoch, bis er die fürchterlichen Zähne endlich in sein Genick bohren konnte.
Wieder schlossen sie sich um Ottilas Rückenmark. Entsetzt versuchte der dunkle Leopard ein letztes Mal, sich zu befreien, doch er spürte bereits, wie die Lähmung um sich
griff, wie seine Beine steif und sein Körper schlaff wurde. Conner hielt ihn noch eine ganze Weile, bis Ottilas Augen schließlich glasig wurden und er den letzten Atemzug tat. Selbst dann behielt er ihn im Griff, bis er sicher war, dass das Herz nicht mehr schlug.
Das Loslassen überforderte ihn fast. Aus zahllosen Wunden blutend brach Conner auf seinem Rivalen zusammen. Er wusste zwar, dass er Rio helfen musste, brachte aber keine Energie mehr dafür auf. Er lag einfach nur da, so von Schmerz erfüllt, dass er nicht hätte sagen können, welche Stelle an seinem Körper am meisten wehtat. Es dauerte Minuten oder Stunden – er hätte es nicht sagen können -, bis er genug Kraft gesammelt hatte, sich über eine anscheinend kilometerlange Entfernung zu Rio zu ziehen.
Sein Freund hob den Kopf und betrachtete ihn mit einem schwachen Lächeln. »Du siehst gut aus.«
Conner zog eine Grimasse. Er musste sich verwandeln und höllische Qualen aushalten. Er konnte es nicht riskieren, in Leopardengestalt entdeckt zu werden, falls sie einen Rettungshubschrauber anfordern mussten. Und sie brauchten beide ärztliche Hilfe. Conner dachte nicht weiter darüber nach – er verwandelte sich einfach. Rotglühender Schmerz durchzuckte ihn, und ihm wurde schwarz vor Augen. Seine Eingeweide krampften sich zusammen, nichts ging mehr. Dann landete er mit dem Gesicht voran auf dem modrigen Pflanzenteppich und fragte sich, ob die Würmer ihn nun bei lebendigem Leib auffressen würden.
Etwas später kam Conner wieder zu sich. Es schien eine Weile vergangen zu sein, denn der Rauch am Boden hatte sich gehoben, obwohl der Feuergeruch immer noch stark war und nach wie vor Rauchfahnen in den Bäumen hingen.
In seiner Nähe raschelten Blätter, und es gelang
Weitere Kostenlose Bücher