Wildes Blut
ihre Arme um seinen Nacken geschlungen, ihren Körper fest an den seinen gepreßt und überschüttete ihn mit Küssen auf sein Gesicht und seinen Mund. Selbst ein Mönch wäre in Versuchung geraten – und Slade war kein Mönch. Erregt von ihrem plötzlichen Angriff, riß er sie an sich; ein Strudel von Sehnsucht und Verlangen erfaßte sie beide, als seine Lippen die ihren berührten und seine Zunge glühend ihren Mund eroberte. Er küßte sie heftig, sein Mund war hart und fordernd, als hätte sie mit ihrem Angriff eine Bestie in ihm befreit. Aber Rachel fürchtete sie nicht, denn ihre heiße brutale Leidenschaft war ihr gewachsen. Sie erwiderte seine Küsse genauso wild, als wäre sie ein leeres Gefäß, das danach gierte, gefüllt zu werden und seine Küsse nur ein Rinnsal des süßen Sommerweins, nach dem sie lechzte. Ihre Zunge schlängelte sich um die seine, drehte und wand sich, kostete ihn mit kleinen, schnellen Liebkosungen, daß sein Leib sich vor Lust verkrampfte. Gierig schluckte ihr feuchter Mund seinen Atem. Ihre Zähne knabberten an seinen Lippen. Ihre Hände zerrten wie Krallen an seinem Hemd. Ihre Nägel gruben sich in seine nackte Brust, bis das Blut tropfte.
Das brachte Slade mit einem Ruck wieder zur Besinnung. Er schob sie so grob von sich weg, daß ihre Arme morgen sicher grün und blau sein würden. Er war ein Revolvermann, und deshalb wußte er, was sie fühlte, das blinde, instinktive Bedürfnis im Angesicht des Todes Leben zu zeugen. Er selbst hatte dieses Gefühl wohl schon hundertmal gehabt. Sie wollte ihre Leere mit ihm füllen, er sollte sie vergessen machen, daß Toby tot war und das Leben schwer, er sollte den Schmerz von ihr nehmen und ihr gebrochenes Herz heilen. Und Slade wollte ihr all das geben. Er sehnte sich so sehr danach, es ihr zu geben, aber das war weder der Ort noch die Zeit dafür. Rachel war keine Frau, die sich jetzt so hingeben konnte und sich hinterher nicht verachten und bereuen würde und er war nicht der Mann, einen solchen Augenblick der Schwäche und der Trauer auszunutzen. Er konnte ihr das nicht antun. Er wollte ihr das nicht antun. Er mußte von Sinnen gewesen sein, es überhaupt soweit kommen zu lassen.
»Nein, nein!« sagte er schroff und rang nach Luft. »Wir werden das nicht tun! Ich sage dir, nein! Ich will dich, Rachel! Das weißt du. Aber nicht jetzt! Nicht so! Hör auf mich! Du würdest dich dafür hassen – mich geliebt zu haben, obwohl das Baby tot im Haus liegt-, und mich würdest du auch hassen. Und das könnte ich nicht ertragen, ich …« Er verstummte, und ein Muskel zuckte in seiner Wange. Dann sagte er in etwas freundlicherem Ton: »Geh zurück ins Haus, Rachel, mein Schatz. Bitte. Da drinnen ist ein Kind, das begraben werden muß, und was zwischen uns ist, muß warten, und es wird um so süßer sein, wenn wir darauf warten, das schwöre ich.«
Schockiert und entsetzt, weil sie sich so vergessen und sich ihm in ihrem Leid so schamlos an den Hals geworfen hatte, taumelte Rachel blindlings aus der Scheune. Anscheinend hatte sie den Verstand verloren. An der Tür des Blockhauses blieb sie schluchzend stehen, holte Luft und sammelte sich, so gut es ging, für das, was sie drinnen erwartete. Dann öffnete sie langsam die Tür und ging hinein zu dem Baby, das reglos und stumm in seiner Wiege lag.
25. KAPITEL
Das Leben ging weiter wie zuvor, nur gab es jetzt kein Baby mehr im Haus, und unter dem einsamen Baum, den Rachel gepflanzt hatte, gab es statt vier nun fünf Gräber.
Manchmal ging sie am frühen Morgen oder im langen Zwielicht des Abends hin, um ihren Gedanken nachzuhängen und wilde Blumen auf die Erdhügel in der weiten, grasbewachsenen Ebene zu streuen. Jonathans Grab pflegte sie genauso sorgsam wie die anderen, verzieh ihm im Tod, was sie ihm im Leben nicht hatte verzeihen können.
Seeks war fort – er war ohnehin viel länger geblieben als sonst –, und mit traurigem Herzen fragte sich Rachel, ob sie ihn je wiedersehen würde. Ihr war mit einem Male klar geworden, daß er, obwohl sie glaubte, er würde sich nie verändern, ein alter Mann war, dessen Herz schwer war ob seiner Vision von der Zukunft, in der es keinen Platz für ihn oder seinesgleichen gab. Seine Art zu leben, im Einklang mit der Natur, verschwand zusammen mit den riesigen Büffelherden, wie er ihr erzählt hatte. Jeden Winter war ihm der Tod ein bißchen dichter auf den Fersen, und sie wußte jetzt, daß er in seinem Herzen sein Kommen begrüßte.
Sie kniete
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