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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Brandewyne
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müssen, wie er heranwuchs, ein Mann wurde und selbst Kinder hatte. Jetzt würde das nie passieren, und sie fühlte sich leer und alt – und allein, so allein.
    Nein, nicht allein, wurde ihr allmählich klar, als sie ein Paar Hände auf ihrer Schulter fühlte, nicht die liebevollen Hände ihrer Mutter, die so manchen Schmerz weggestreichelt hatten, sondern Slades. Er war jetzt für Rachel da, wie er schon immer für sie da war, seit er hierhergekommen war. Er half ihr auf und führte sie aus dem Blockhaus, damit sie nicht die Geschwister des armen Babys weckte. Sie haben auch so schon genug gelitten, so knapp nach dem Tod ihres Vaters, dachte Slade, und ohnmächtiger, mörderischer Zorn erfüllte ihn gegen Gott, der Toby hatte sterben lassen.
    Slade führte Rachel zur Scheune, wo sie ungestört weinen konnte; dann würde sie versuchen müssen, sich wieder zu fangen, der Welt ein tapferes Gesicht zu zeigen, auch wenn der Schmerz im Innern tobte. Sicher wollte sie das. Die Kinder sollten sie bestimmt nicht so sehen, denn für die Kinder wollte sie stark sein.
    Aus den Schatten neben dem Haus, wo er saß, beobachtete Seeks, wie die beiden den Hof überquerten. Slades Arm lag schützend um die schluchzende Rachel. Das Kind war tot. Seeks erhob sich und ging langsam in die Dunkelheit. In einiger Entfernung, draußen auf der Prärie, hob er die Hände zum sternenübersäten Himmel und stimmte das Totengebet der Indianer an.
    In der Scheune schluchzte Rachel an Slades Brust; er hielt sie fest und strich ihr beruhigend übers Haar, weil er nicht wußte, wie er sie anders trösten sollte.
    »Warum, Slade? Warum?« fragte sie ihn verwirrt, als wisse er die Antwort auf diese Frage. Aber er wußte sie nicht. »Warum mußte Toby sterben? Warum?«
    »Ich weiß es nicht, Rachel. Ich weiß nicht, warum diese Dinge passieren. Ich weiß nicht, warum Gott das zuläßt! Ich wünschte, ich wüßte es, aber ich weiß es nicht. Es ist nicht richtig, und es ist nicht fair. Aber so ist das Leben, Schatz, und wir können nichts dagegen tun. Wir müssen es einfach leben, so gut wir können.«
    »Aber Toby – Toby war doch noch so klein, so unschuldig! Er hatte nicht einmal die Chance zu leben! Er hatte nie eine Chance! Und jetzt, jetzt ist er tot, und er war so – so klein und so jung … zu jung zum Sterben!«
    »Wir sterben alle, Rachel«, sagte Slade leise, »vom Tag an, an dem wir geboren werden, sterben wir. Nur sterben manche früher als andere. Vielleicht war Toby einer von den Glücklichen. Ich weiß es nicht. Das Leben ist hart, Rachel, und am Ende überlebt es keiner von uns. Die Starken kämpfen nur härter und brauchen länger zum Sterben, das ist alles.«
    »Was hat denn dann überhaupt einen Sinn, Slade?« fragte sie bitter und wischte sich die Tränen ab. »Wenn alles umsonst ist, warum werden wir dann überhaupt geboren?«
    »Ich weiß es nicht, mein Schatz. Nur Gott kennt die Antwort darauf.«
    Beide schwiegen jetzt, jeder war mit seinen Gedanken allein. Von weit her war der Gesang des Indianers auf der Prärie zu hören, und mit einemmal stürmten tausend Erinnerungen auf Slade ein: Erinnerungen an die Schwarzen am Sonntag, wie sie ihre Spirituals auf der Plantage seines Vaters, Cypress Hill, gesungen hatten, und an Baptiste Robillard, seine Mutter, wie sie in dem großen Ballsaal tanzte, dessen Türen zum Mississippi geöffnet waren, an Thérèse Duvalier, wie sie in einem weißen Kleid mit Gardenien im Haar über mondbeschienenes Gras lief, und an seine geliebte Halbschwester India mit den lachenden blauen Augen und dem wehenden schwarzen Haar … Alle waren jetzt tot, bis auf die Frau, die er in seinen Armen hielt – Rachel, lebendig und warm, mit ungeheuren Kräften in ihrem scheinbar so zerbrechlichen jungen Körper und so ungeheurem Mut in ihrem tapferen Herz. Aber selbst sie war von Tobys Tod gebeugt.
    »Er hat uns gehört, Slade«, flüsterte sie heiser und hob ihr tränenüberströmtes Gesicht zu dem seinen, und er wußte, daß sie das tote Kind meinte. »Er hat uns gehört! Oh, ich weiß, daß wir nicht seine richtigen Eltern waren, aber er hat India und Jonathan nie gekannt. Toby war unser Kind! So, als ob wir ihn gemacht hätten, du und ich – Oh, Slade, liebe mich!« Die Worte platzten aus ihr heraus wie im Fieberwahn. »Liebe mich! Hier! Jetzt! Ich will nicht mehr an den Tod denken. Ich werde sonst verrückt! Ich weiß es. Liebe mich! Nimm mich, bring es mir bei. Bitte, ich will es. Ich …«
    Sie hatte

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