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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Brandewyne
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gerade neben den Gräbern auf der Prärie, und die Morgensonne verwandelte ihr Haar zu Gold, als er kam, um sich zu verabschieden. Er näherte sich langsam auf seinem Pinto, mit den beiden Packeseln am Sattel festgebunden, und noch ehe er anhielt und mit steifen alten Gliedern vom Pferd stieg und auf sie zukam, wußte sie, daß er fortgehen würde, und erhob sich respektvoll. Ihr Herz tat weh bei diesem Gedanken und auch, weil sein Verlust irgendwann irgendwie ertragen werden mußte. Sie fragte sich, ob es wirklich stimmte, daß Gott einem Menschen nur die Last aufbürdete, die er auch tragen konnte.
    Einen Augenblick lang stand Seeks reglos da und sah den einsamen Baum an, der auf einem Hügel stand, und der trotz der langen, heißen Sommer, der bitterkalten Winter und trotz des ständigen Windes tapfer seine Äste zum Himmel hob wie im Gebet – oder als würde er nach der Sonne und den Sternen greifen.
    Dann bemerkte er: »Das ist ein guter Platz für ein Grab.«
    »Ja«, sagte sie leise und wußte, daß auch er, der keine Familie außer der ihren kannte, dort liegen wollte, wenn seine Zeit gekommen war.
    »Du wirst dafür sorgen.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Ja«, sagte sie.
    Er nickte, hatte nichts anderes erwartet. Dann musterten seine dunklen Augen ihr Gesicht und prägten sich jeden Zug ein, und er streckte die Hand aus und legte sie mit dieser lieben, vertrauten Geste behutsam auf ihr Haar.
    »Ist wie Sonnenschein, denke ich immer«, sagte er leise.
    »O Seeks! Seeks!« rief Rachel leise.
    Mit Tränen in den Augen warf sie die Arme um den Hals ihres Freundes und drückte ihn fest an sich. Einen langen Augenblick hielt er sie fest, und seine krummen alten Finger streichelten liebevoll ihr Haar. Dann schüttelte er verlegen den Kopf und schob sie sanft, aber bestimmt weg, wobei er sich abwandte, damit sie nicht sehen konnte, wie gerührt er war. Dann zog er bedächtig seinen Strohschirm aus dem Packen auf dem Rücken des Mulis und stieg auf den Pinto. Jetzt sah er Rachel noch einmal an, die stumm dastand und weinte.
    »Nächsten Sommer komme ich wieder«, versprach er und tat so, als sähe er ihre Tränen gar nicht, »und dann erwarte ich, daß ich auf meinen Knien das Kleine von Hundesoldat und Wildblumenfrau wiegen kann. Hundesoldat ist ein weiser Mann wie Seeks, und ein weiser Mann versucht zwar nie, der Liebe zu befehlen, aber er hört das Herz singen, wenn sie kommt.«
    Dann öffnete der Indianer mit einem kleinen Klick seinen Schirm und ritt los, eine stolze, fremdartige Gestalt vor dem unendlichen Horizont. Rachel schaute ihm nach, bis er außer Sichtweite war, ihre Tränen glänzten auf ihren sonnengeküßten Wangen, und ihr Herz floß über vor Rührung. Auf seine Art hatte Seeks ihr gerade gesagt, daß er sie liebte – und daß Slade sie liebte.
     
    Der Juli ging zu Ende, und der August zog blühend ins Land. Die Ebenen waren erfüllt vom Duft frisch gemähter Felder, auf denen die Männer von Sonnenaufgang bis lange nach Sonnenuntergang arbeiteten und ernteten, was sie im Frühling gesät hatten. Jede Hand wurde bei der Ernte gebraucht, so daß alle Buben, sogar Andrew, helfen mußten, während die Mädchen, einschließlich der kleinen Naomi, Rachel in der Küche halfen, für die hungrigen Männer zu kochen. In der ganzen Umgebung gingen Männer von Farm zu Farm, um bei der Ernte zu helfen, und die Frauen zogen mit ihnen, um sich das Kochen zu teilen. Auf Gus’ Farm wurde doppelt gefeiert, denn praktisch, wie die aus dem Mittelwesten nun einmal waren, nutzte er die Anwesenheit derer, die ihm bei der Ernte halfen, um auch gleich Hochzeit zu feiern.
    Rachel wünschte dem Paar von ganzem Herzen Glück. Aber sie wußte, daß sie sich in Livie nicht geirrt hatte, die ihrer Meinung nach wie der heidnische Gott Janus zwei Gesichter hatte. Nach außen hin war sie herzlich, lustig und freundlich, aber dahinter verbarg sich nur ihr unerfreulicher Charakter. Livie war unglaublich eifersüchtig darauf, daß Gus einmal Rachels Verehrer gewesen war, obwohl sie wußte, daß Rachel ihn nie gewollt hatte. Und mehr als einmal ertappte Rachel sie dabei, wie sie ihr heimlich so messerscharfe Blicke zuwarf, daß Rachel sich hinterher wie ein Nadelkissen vorkam, verwirrt angesichts des Haßes und der Feindseligkeit des schwedischen Mädchens. Livie verstand es sehr geschickt, ihre böse Natur zu verbergen und hatte bei der Feier alle außer Rachel davon überzeugt, daß sie eine süße, liebevolle Frau

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