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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Brandewyne
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Züge ums Sattelhorn und sprang herunter. Ihre Füße hatten kaum den Boden berührt, als Sunflower durchging. Slade fluchte, überzeugt, sie hätte den Verstand verloren, und Fortune müßte sie jetzt beide tragen. Er riß das Pferd herum und galoppierte zurück, um sie zu holen. Aber sie ließ sich nicht auf den Hengst heben.
    »Steig ab, Slade!« schrie sie erneut. »Steig ab, sonst wirst du getötet!«
    Der Revolvermann konnte sie nicht einfach allein ihrem Schicksal überlassen, zumindest würden sie so zusammen sterben. Er schwang sich aus dem Sattel, wickelte die Zügel um das Sattelhorn und ließ Fortune laufen. Der Sturm hatte Rachels langes Haar aus den Nadeln gerissen, und jetzt peitschte und wirbelte es um ihren Kopf, daß sie aussah wie die Irre, für die Slade sie im Augenblick hielt. Mit dem Rücken zum Tornado und ihren Röcken waagerecht, stand sie wie eine Flagge im Wind. Sie stolperte vorwärts, versuchte sich aufrecht zu halten, schob mit beiden Händen das Haar aus dem Gesicht und kniff die Augen zusammen gegen den Staub, der um sie beide wirbelte und sie fast blind machte und wie Schrot auf ihren Körpern brannte.
    »Dort!« schrie sie und zeigte mit dem Finger. »Die Büffelkuhle!«
    Geduckt stolperten sie darauf zu. Slade stützte sie mit seinen Armen, half ihr, versuchte, sie vor dem schlimmsten Dreck und Wind zu schützen. Aber selbst er hatte nicht die Kraft, sich der gewaltigen Macht zu widersetzen, die sie schließlich in die Knie zwang. Sie krochen die letzten Meter bis zu der flachen Vertiefung auf allen vieren, dann drückten sie sich auf den Boden. Slade warf sich halb über Rachel.
    Der Sturm war jetzt schwarz wie der Nachthimmel durch die Tonnen schwarzer Erde, die er von den Plains in seinen riesigen, klaffenden Schlund gesogen hatte, und er raste direkt auf sie zu. Sie konnten nur hoffen und beten. Sie waren machtlos, so wie alle machtlos sind angesichts Gottes Macht und seines Zorns; sie glaubten sich todgeweiht. Ihre Herzen klopften wie eins, Brust an Brust, hämmernd vor lauter Angst und einer seltsamen, wilden, hemmungslosen Erregung, denn wenn sie wirklich sterben mußten, bliebe ihnen zumindest die Genugtuung, daß es schon der Macht eines Tornados bedurfte, um sie zu töten.
    Sie wußten, daß er unmittelbar vor ihnen war. Der Lärm war jetzt ohrenbetäubend wie eine führerlose Monsterlokomotive, die auf sie zuraste, mit gellender Pfeife, unter deren zahllosen Rädern der Boden erbebte. Und dann war er plötzlich über ihnen, ein riesiges, schwarzes Monster stürmte über den Rand der Büffelkuhle. Der Druck war so ungeheuer, daß ihre Trommelfelle fast platzten, und sie wurden so heftig an die Erde gepreßt, daß ihre Lungen sich schlagartig leerten. Sand machte sie blind, schürfte ihnen die Haut ab, und sie klammerten sich aneinander und versuchten vergeblich, einander zu beschützen. In diesem Augenblick gab es nichts mehr außer der ehrfurchtgebietenden, unbegreiflichen Wucht dieser brutalen, nicht kontrollierbaren Naturgewalt, unter der sie zur absoluten Bedeutungslosigkeit verkümmerten. Sie erwarteten zu sterben oder hochgerissen und von der Macht, die über sie hergefallen war, in ewige Vergessenheit entführt zu werden. In diesem flüchtigen Augenblick der Ewigkeit überfluteten sie süße, gemeinsame Erinnerungen. Jeder verzehrte sich vor Liebe nach dem anderen und bedauerte bitterlich, das nicht ausgesprochen zu haben, was sein Herz erfüllte. Jetzt war es zu spät.
    Aber auf diese Erkenntnis folgte das Wissen, daß der Tod sie nicht auserkoren hatte, daß sie doch verschont bleiben würden, denn der Sturm war einfach vom Rand der Kuhle mit einem launischen Satz auf eine Erhebung ihr gegenüber gesprungen. Dort verharrte er einen Augenblick, als betrachte er seine Umgebung. Dann raste er davon, schlug einen neuen Weg der Zerstörung ein. Erst viele Meilen später sollte er seinen Schwung verlieren, sich von Erde und Himmel losreißen und wie eine zerquetschte Feder zusammenfallen, sich immer langsamer drehen, bis er schließlich vollends entzweibrach und sich in nichts auflöste.
    Die Erde begann wieder zu atmen, aber leise. Das dunkle Firmament lichtete sich, und die Sonne versuchte, sich durch die wenigen restlichen Wolken und den dünnen Staubschleier, der in der Luft hing, zu kämpfen.
    Lange nachdem der Tornado über die Prärie davongerauscht war, lagen Rachel und Slade stumm und reglos nebeneinander und konnten noch nicht ganz begreifen, daß er an ihnen

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