Wildes Blut
komm’ ja gleich!« Dann machte sie sich, leise vor sich hinschimpfend, auf den Weg nach unten. »Verdammter alter Narr«, fluchte sie. »Hat mir ein Automobil zum Hochzeitstag gekauft, ja, ja, Hmf! Sich selbst hat er es gekauft, der Schuft! Ich mag diese infernalischen Maschinen nicht, und ich will auch keine! Zwei gute Pferde und ein stabiler Wagen sind für mich gut genug. War’s immer schon. Verdammter alter Mann. Wird uns wahrscheinlich beide in dem verrückten Ding umbringen.«
Das Auto war ein prachtvolles, hellgelb glänzendes Packard Cabriolet mit schwarzen Ledersitzen, glänzend polierten Scheinwerfern und weißen Reifen. Slade war es endlich gelungen, den Wagen zum Stehen zu bringen, und als er Rachel kommen sah, sprang er aus dem Automobil, lief zur anderen Seite und öffnete ihr galant die Tür, unbeeindruckt von ihrem kriegerischen Blick.
»Und wie findest du dein Geschenk, Schatz?« fragte er strahlend vor Stolz und Freude. »Ist es nicht eine Schönheit? Ich hab’ die Farbe extra bestellt, damit sie zu deinem Haar paßt. Steig ein. Wir drehen eine Runde.«
»Nein danke, Slade«, lehnte Rachel sein Angebot ab, »ich hab’ schon gesehen, wie du fahren kannst, oder besser gesagt, nicht fahren kannst!«
»Ach, Rachel, Schätzchen, komm schon«, sagte er unverschämt grinsend, und seine mitternachtsblauen Augen funkelten vor Vergnügen. »Das war doch nur zum Einstimmen. Jetzt weiß ich, wie’s geht. Steig ein, dann zeig’ ich’s dir!«
Nach langem Hin und Her ließ sich Rachel, die keinem Vehikel traute, das nicht von einem Pferd gezogen wurde, dazu überreden, in den langen, glänzenden Packard einzusteigen, und Slade fuhr mit einem Ruck und lautem Geknatter los.
Eigentlich war es gar nicht so schlimm, nachdem sie endlich richtig in Fahrt gekommen waren, wenigstens schlingerte das Ding nicht mehr hin und her. Aber Rachel klammerte sich mit aller Kraft an der Tür fest, aus Angst, sie könnte hinausfliegen, weil sie noch nie in ihrem Leben so schnell gefahren war. Sie schaute auf den Geschwindigkeitsmesser und hätte vor Angst fast laut geschrien. Die Geschwindigkeit erschien ihr ungeheuerlich. Dann schrie sie wirklich, weil Slade soeben eine ganze Reihe Pappelschößlinge, die sie dieses Frühjahr gepflanzt hatten, niedermähte und das Automobil anfing zu schleudern, direkt auf ihre Wäscheleine zu.
Rachel blieb nicht mal mehr Zeit, sich zu ducken, bevor Slade gegen die saubere Wäsche an der Leine prallte und das Vehikel über und über mit Wäsche drapiert wurde. Zwei Laken rissen aus den Klammern und wehten wie ein Drachenschwanz hinter dem Packard her, bis der Wind sie schließlich wegtrug. Ein drittes Laken verfing sich an der Messingkante der Windschutzscheibe. Unglücklicherweise hatte Rachel dieses Laken in Ermangelung einer Wäscheklammer an einem Ende um den Draht gebunden. Der Packard fuhr so schnell, daß die Leine mit dem Laken mitgezerrt wurde und die beiden Pfosten an den beiden Enden sich beängstigend zur Seite neigten. Dann hörte Rachel ein metallisches Geräusch, warf einen kurzen Blick über die Schulter und sah, daß der Draht gerissen war und ein Teil ihrer sauberen Wäsche im Dreck lag, während der Rest am Boden schleifte.
»Slade Maverick!« kreischte sie erbost. »Slade Maverick! Schau dir an, was du getan hast, du Wahnsinniger! Du hältst dieses laute, nutzlose Ding sofort an, hast du gehört! Es ist gefährlich! Du hast uns fast umgebracht …«
Aber Slade Maverick hatte sich in vierzig Jahren an Rachels giftige Zunge gewöhnt und war immun dagegen. Er warf ihr trotzdem einen reumütigen Blick zu, legte aber den Kopf zurück und brüllte vor Lachen. Dann trat er so heftig auf das Gaspedal, daß sie in den Sitz geworfen wurde und sich an der Tür festklammern mußte, um nicht zu Boden geschleudert zu werden.
»Ich werd’ dir sagen, woran das liegt, Rachel«, brüllte er ihr über das laute Motorgetöse zu. »Hier ist zu wenig Platz. Dieser Hof ist wie ein verdammtes Hindernisrennen – Kinder, Tiere, Pflanzen, wohin du –« Er verstummte mitten im Satz und riß das Steuerrad herum, um nicht mit einem springenden Krocketball zusammenzustoßen, den eines ihrer Enkelkinder mit ungeheurer Wucht über den Rasen befördert hatte.
Mit einem dumpfen Knall prallte der Ball gegen einen der Hinterreifen. Rachel sah aus dem Augenwinkel das halb lachende, halb betroffene Gesicht ihres Enkels Blaze Beecham, der diesen unfreiwilligen Treffer gelandet hatte. Slade steuerte
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