Wildes Blut
stehen, solange ich aufrecht stehe!«
»Richtig, du hast mich tatsächlich hier das allererste Mal geküßt, nicht wahr?« sagte Rachel leise und gerührt, daß er so sentimental war.
»Ja – und außerdem, ich glaube, ich werde dich gleich jetzt noch mal hier küssen.«
Rachel hielt das für eine glänzende Idee und setzte sich erwartungsvoll zurecht. Aber zu ihrer Überraschung und Enttäuschung machte Slade keinerlei Anstalten, ihr näherzukommen. Sie musterte seine reglose Gestalt und fragte sich, was er mit diesem etwas beleidigten Schweigen bezwecken wollte, und schließlich sagte sie: »Und?«
»Und was?« knurrte er und zog streng die Augenbrauen zusammen.
»Und wirst du mich jetzt küssen oder nicht?« fragte sie spitz, etwas ratlos über sein seltsames Verhalten und allmählich auch ein bißchen beleidigt.
»Ich warte«, knirschte er durch zusammengebissene Zähne.
»Du wartest«, wiederholte sie tonlos. »Du lieber Himmel, Slade, worauf denn?«
»Auf eine Einladung«, fauchte er mit wütendem Blick. »Ich hab’ mir gedacht, wo wir schon mal vierzigsten Hochzeitstag haben, will ich ausnahmsweise mal höflich sein.«
»Eine Einladung!« Jetzt hatte Rachel endlich begriffen und schlug sich vor Vergnügen aufs Knie, ihr Lachen hallte wie eine Glocke durch die stille, sonnendurchflutete Scheune. »Gnade! Ich glaub’s einfach nicht! Slade Maverick, willst du allen Ernstes sagen, daß es mir nach vierzig Jahren gelungen ist, dir endlich Manieren beizubringen?«
»Sieht fast so aus, weil ich warte, ja wirklich- und das verdammt ungeduldig, wenn ich das noch sagen darf!«
»Du meine Güte!« Rachel schüttelte lächelnd den Kopf. »Wie sich die Zeiten geändert haben.«
Sie saß auf dem schwarzen Ledersitz des Packards und träumte vor sich hin. Sie erinnerte sich an die vielen Jahre, die gekommen und gegangen waren, seit Slade sie an jenem Wintermorgen vor so langer Zeit in dieser alten Scheune geküßt hatte. Durch die Löcher im Dach strömte die strahlende Augustsonne herein, hüllte sie in einen Heiligenschein aus Gold, und die Heuhalme und Staubflusen tanzten durch die Luft, aufgewühlt von der leichten Brise, die durch die zerschmetterten Türen blies. Vierzig Jahre. Was es möglich, daß wirklich schon so viel Zeit vergangen war? fragte sie sich noch einmal. Ja – sie war vergangen – in einem Lidschlag, im Schatten eines Lächelns. Doch so viele Erinnerungen lagen wie Blüten gepreßt im Buch ihrer Erinnerung, daß es aus allen Nähten platzte. Und wenn sie an ihren Mann und ihre Familie dachte, ihre Heartland Ranch (inzwischen eine der größten in Kansas), das Geld in ihrer Blechdose auf dem Küchenregal (und das andere, das vorsichtshalber auf der Bank lag), wußte Rachel, daß ihr Becher bis zum Überfluß gefüllt war und daß sie vom Leben nicht mehr erwarten konnte, als es ihr gegeben hatte.
»Und?« unterbrach Slade ungeduldig ihre Tagträume.
»Und was?« fragte sie, in Gedanken immer noch in der Vergangenheit.
»Was soll das heißen … und was?« fragte Slade. »Wirst du mir auf deine alten Tage wahnsinnig? Das kannst du dir nämlich gleich aus dem Kopf schlagen! Vierzig Jahre lang hab’ ich deine stachlige Zunge ertragen, Rachel, und deine Launen – und ich habe jede Sekunde davon genossen, weil ich am Ende doch immer gewonnen habe«, sagte er hochnäsig mit boshaftem Grinsen. Er ließ bewundernd den Blick über sie schweifen. »Und der Sieg war immer ein Genuß. Aber ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, daß du verrückt wirst! Also … äh … wo war ich stehengeblieben? O ja, ich warte immer noch. Krieg’ ich jetzt eine Einladung, dich zu küssen oder nicht, alte Frau?«
»Aber ja«, sagte Rachel und sah ihm zwinkernd in die Augen. Ihr Herz barst beinahe vor Liebe, vierzig Jahre Liebe zu ihm und vor all der Freude, die sie ihr gebracht hatte. »Ja, ich denke schon.« Sie hielt inne. Dann fuhr sie entschlossen fort: »Betrachte dich als eingeladen, alter Mann!«
Und mit singendem Herzen nahm er die Einladung an.
ANMERKUNG DER AUTORIN
Liebe Lese r,
Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen von ganzem Herzen dafür zu danken, daß Sie dieses Buch gekauft und gelesen haben, denn das Schreiben dieses Buches war wahre Liebesmüh, mehr als bei all meinen anderen Büchern.
Obwohl ich in Knoxville, Ohio, geboren wurde, waren mir die Great Plains fast mein ganzes Leben lang Heimat, und gleichgültig, wie weit ich auch reiste, war ich immer wieder froh, dorthin
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