Wildes Blut
Eingreifen vor dem Silver Slipper und dafür, daß Sie meine Schulden bei Verne Lundy bezahlt haben – die ich Ihnen sobald ich kann, auf Heller und Pfennig zurückzahlen werde –, aber ich denke nicht daran, diese armen Kinder einem Revolverschwinger oder einem Säufer zu überlassen!« verkündete Rachel mit blitzenden grünen Augen. »Onkel oder nicht, Sie sind nicht der Richtige für diese Aufgabe. Und Jonathan ist bedauerlicherweise ebensowenig ein geeigneter Vater, das hat sein beklagenswertes Verhalten in den letzten paar Wochen gezeigt! Ich bin mir absolut sicher, daß unter den gegebenen Umständen India« – an dieser Stelle versagte Rachel die Stimme, weil sie mit Tränen kämpfte, doch dann faßte sie sich und fuhr entschlossen fort – »India mir die Obhut ihrer Kinder übertragen hätte.«
»Miss Wilder, ich will ja gar nicht abstreiten, daß weder mein armseliger Schwager noch ich sonderlich geeignet sind, acht leidende Kinder aufzuziehen«, sagte Slade, bemüht, seine Wut über ihre Sturheit nicht zu zeigen und ihr Angebot absichtlich zu ignorieren. »Aber, bei allem Respekt, Ma’am, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht, wir sind ihre Blutsverwandten, und gleichgültig, wie nahe Ihnen meine Schwester stand, Sie sind nicht mit ihr verwandt und können nicht wissen, wie sie wirklich dachte. Wenn Sie so liebenswürdig wären und das Gewehr weglegten, Miss Wilder, werde ich Ihnen den Brief zeigen, den ich von India kurz vor ihrem Tod erhielt, in dem sie klar und deutlich schreibt, daß ich der Vormund Ihrer Kinder sein soll, wenn ihr etwas zustoßen sollte.«
»Ich – das glaube ich nicht«, sagte Rachel erschrocken und verletzt darüber, daß India sich in Zeiten der Not an ihren Halbbruder gewandt hatte, anstatt an ihre beste Freundin.
»Trotzdem, Madam, versichere ich Ihnen, daß es die Wahrheit ist«, erwiderte Slade mit sanfter Stimme. Er spürte Rachels Schmerz, als er ihr den Brief reichte und zeigte, daß er keinerlei Absichten hatte, ihr das Gewehr abzunehmen, das sie weiter stur auf sie gerichtet hatte.
Sie öffnete den Umschlag, überflog den Inhalt, dann faltete sie die beiden Blätter wieder und steckte sie zurück. Sie holte tief Luft.
»Das ändert nichts«, sagte sie ohne Umschweife zu Slades großem Ärger. »India – India kann einfach nicht bei Trost gewesen sein, als sie das schrieb. Sie war vor ihrem Tod wochenlang krank und deprimiert, und offensichtlich hat ihr gesunder Menschenverstand sie im Stich gelassen.«
»Ihr einziger Fehler war, daß sie Sie als Freundin wählte, Miss Hochnäsig Wilder!« zischte Jonathan.
»Halt die Klappe, Beecham«, knurrte Slade so bedrohlich, daß Rachel und er erschrocken zurückwichen, »sonst sorge ich dafür, daß du sie hältst! Wenn du von Anfang an deine Pflicht getan hättest, würden wir jetzt nicht hier stehen!« Er wandte sich wieder an Rachel, und seine Stimme war so ruhig, daß sie kaum glauben konnte, daß das derselbe Mann war, der gerade Jonathan so angebrüllt hatte. »Tatsache ist und bleibt, daß meine Schwester diesen Brief tatsächlich geschrieben hat, und daß Sie keinen rechtlichen Anspruch auf die Kinder haben. Jetzt möchte ich mich herzlich dafür bedanken, daß Sie sich in meiner Abwesenheit um sie gekümmert haben. Aber es besteht keine Veranlassung, Sie noch länger mit ihnen zu belästigen, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir jetzt übergeben würden.« Es folgte eine erwartungsvolle Pause. Dann, als Rachel keine Anstalten machte, zum Haus zu gehen, sagte er leise: »Ma’am, es wäre mir wirklich zuwider, wenn ich den Marshal hierherschleifen müßte, um die Sache zu regeln.«
Rachel resignierte. Sie wußte, daß das Gesetz auf der Seite Slade Mavericks stand, ob Revolvermann oder nicht. Er hatte recht: dem Gesetz nach hatte sie keinerlei Anspruch auf die Beecham-Kinder. Sie hatte nichts außer der Liebe, die sie für ihre Mutter empfunden hatte, aber vor den blinden Augen der Justiz würde das nicht ausreichen. Außerdem wagte sie nicht, sich Slade Maverick weiter zu widersetzen. Er hatte zwar ignoriert, daß sie das Geld, das er für sie im Silver Slipper bezahlt hatte, zurückzahlen wollte, aber wenn sie sich weiter gegen ihn sperrte, würde er vielleicht doch sofortige Rückzahlung fordern, und dazu fehlten ihr die Mittel.
Oh, wie sie wünschte, Slade Maverick wäre am Ende der Welt, in der Hölle- wo er doch sicher hingehörte, der Teufel! Denn wenn er nicht gekommen wäre, um ihr einen
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