Wildes Blut
Halbschwester um seine Nichten und Neffen kümmerte, hatte er mit Freuden den Schaden, den sie im Silver Slipper angerichtet hatte, bezahlt, in dem Glauben, er hätte ihr Unrecht getan. Jetzt aber sah er ihren Auftritt in Delano in einem ganz anderen Licht, und Slade fragte sich ängstlich, was sie wohl den Kleinen antun könnte. »Ich hab’ dich etwas gefragt, Beecham!« fauchte er. »Was soll das heißen … verrückter Weibsteufel?«
»Genau das … genau das, was ich gesagt habe«, erwiderte Jonathan wütend. »Jeder hier weiß doch, daß sie eine Irre ist! Laß dich von ihr nicht täuschen! Sie tut nur so moralisch und gottesfürchtig. Tief im Inneren ist sie total verdorben. Sie ist ein Weibsteufel, das sag’ ich dir! Sie verkehrt mit einem heidnischen Indianermischling, was keine weiße Frau bei Verstand tun würde! Gibt ihm Perlen und Decken und so weiter – wahrscheinlich Gewehre und Schnaps auch, würde mich gar nicht wundern! Sie benimmt sich auch genau wie er! Buddelt in der Prärie nach Pflanzen und Wurzeln und wer weiß, was sonst noch und braut alle möglichen widerlichen Gebräue – der Himmel weiß, für welche Zwecke, obwohl ich da auch meinen Verdacht habe! Und fällt in Trance und geht mit einer Astgabel herum und behauptet, sie könnte damit Wasser unter der Erde finden …«
»Willst du damit sagen, sie macht nichts Schlimmeres, als sich mit einem wahrscheinlich harmlosen alten Medizinmann zu treffen? Daß sie nur eine Kräuterfrau und Wünschelrutengängerin ist?« fragte Slade erstaunt und erbost über die Ignoranz und Dummheit seines Schwagers. »Das macht sie noch lange nicht zum ›verrückten Weibsteufel‹, Beecham! Du solltest ihr auf Händen und Knien danken, daß sie sich um deine Kinder gekümmert hat, was man von dir nicht gerade behaupten kann, du gottverdammter Bastard! Wer weiß, was sonst mit ihnen passiert wäre, ganz alleine hier draußen. Und jetzt steig’ auf dein Pferd, du armselige Kreatur von einem Vater und Ehemann. Wir werden Miss Wilder einen Besuch abstatten – und ich warne dich: wenn du sie nicht mit äußerstem Respekt behandelst, werd’ ich dir persönlich den Hals umdrehn!«
Das Erstaunlichste für Slade bei ihrem zweiten – genausowenig freundschaftlichen – Treffen war, daß Rachel Wilders herzförmiges Gesicht wesentlich attraktiver war, als er ursprünglich angenommen hatte. Er fragte sich sogar, ob sein Blick vielleicht von seinem langen, staubigen Ritt getrübt gewesen war, denn wie sonst hätte er sie je für unattraktiv halten können. Sie war alles andere als häßlich. Ihr blondes Haar schimmerte wie Gold im spätnachmittäglichen Sonnenlicht, ihre minzgrünen Augen sprühten Funken, die hohen Wangenknochen glühten flammend rot wie die untergehende Sonne der Prärie, und ihr süßer, rosiger Mund zitterte vor Angst und Wut, als sie ihn anstarrte. Um ehrlich zu sein, war sie sogar sehr attraktiv, und trotz seiner Trauer um India musterte Slade die beste Freundin seiner Halbschwester mit größtem Interesse.
Sie war wesentlich jünger als India, deshalb überraschte es ihn, daß die beiden Frauen so eng befreundet gewesen waren – so eng, daß Rachels echter Schmerz über den Verlust Indias unübersehbar war, was in Slades Augen ein weiterer Pluspunkt für sie war. Aber vielleicht hatten die Umstände die Frauen einander näher gebracht, überlegte er. Beide Farmen waren allein auf weiter Flur, Meilen vom nächsten Nachbarn oder der Stadt entfernt.
Aber obwohl er Rachel körperlich anziehend fand und sie die Freundin seiner geliebten Halbschwester gewesen war, mußte Slade feststellen, daß er die junge Frau trotzdem nicht mochte. Gleichgültig, was sein idiotischer Schwager behauptet hatte, Rachel Wilders Verhalten und Pflanzensuche und Wünschelrutengehen waren nicht der wahre Grund dafür, daß sie eine Jungfer blieb. Es war ihre böse Zunge – die er die letzte Viertelstunde zu spüren bekommen hatte. Sie war ein richtiges zänkisches Weib! Dieser erste Eindruck von ihr war zumindest ein Volltreffer gewesen.
Slade war wütend, weil sie, nachdem sie den Zweck seines Besuches erfahren hatte, weder ihn noch Jonathan ins Haus bat, sondern sie, mit dem Gewehr auf sie gerichtet, im schlammigen Hof stehen ließ. Sie war nicht einmal bereit, die Kinder zu rufen.
Jetzt setzte sie mit zittriger Stimme den hitzigen Streit fort, der kurz nach seiner und Beechams Ankunft begonnen hatte.
»Mr. Maverick, ich bin zwar nicht undankbar für Ihr
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