Wildes Blut
Rachel in das Holzhaus. Dort waren Eve und Susannah gerade dabei, das letzte Geschirr vom Mittagessen abzuwaschen und abzutrocknen, und der vierjährige Andrew und seine kleinere Schwester Naomi spielten mit grobgeschnitzten Holzsoldaten auf dem Boden. Tobias schlief in der Wiege, die Rachel aus einer alten Kiste für ihn gebaut hatte. Die vier Kinder erstarrten zu Salzsäulen, als sie ihren Vater sahen. Nach einer kurzen, peinlichen Pause begrüßten sie Jonathan. Aber Slade merkte sofort, daß sie sich überhaupt nicht freuten, ihn zu sehen, so mißtrauisch klangen ihre Stimmen. Die Kinder zeigten sich auch nicht sonderlich begeistert, als sie erfuhren, daß Slade ihr Onkel war, der sie nach Hause bringen wollte. Die kleine Naomi fing sogar an zu weinen, rannte zu Rachel und versteckte sich hinter ihren Röcken.
Slade wußte nur zu gut, daß sein Anblick nicht gerade vertrauenerweckend war. Er hatte sich seit seiner Ankunft in Wichita weder rasiert noch gebadet, und obwohl er sich umgezogen hatte, waren seine Kleider zerknittert und stanken nach Pferdeschweiß, da er sie in seine Bettrolle eingerollt gehabt hatte. Sein Staubmantel war von der Reise verdreckt und seine Stiefel schlammverkrustet. Verlegen rieb er sich das stoppelige Gesicht und schaute sich schuldbewußt nach einer Möglichkeit um, sein Zigarillo auszudrücken. In einer Ecke entdeckte er einen Spucknapf und drückte hastig darin sein Zigarillo aus, wobei ihm Rachels strenger Blick folgte. Normalerweise war Slade sehr auf seine äußere Erscheinung bedacht, und es war ihm deshalb doppelt peinlich, daß er in diesem Aufzug gekommen war, um die Kinder abzuholen. Er und Beecham, der noch schlimmer aussah als er und der vor Gier nach Schnaps zitterte, waren sicher kein schöner Anblick. Slade konnte es Rachel kaum verdenken, daß sie hochmütig den Kopf zurückwarf, als sie seinen Blick spürte, und die Nase rümpfte.
Rachel ihrerseits fand, daß Slade Maverick in ihrem Haus wie ein unberechenbarer, wolliger Büffel wirkte, der aus Versehen hier hereingestürmt war. Noch nie war ihr das Haus mit den zwei Zimmern so klein vorgekommen, die Decke so niedrig, die Wände so eng. Irgendwie schien es, als wäre alles neben seiner dunklen, großen Gestalt geschrumpft. Der Gedanke beunruhigte sie. Sie wünschte, Großvater und Poke wären hier, aber sie waren mit Gideon, Philip und Caleb losgeritten, um nachzusehen, wo der Sturm Schäden verursacht hatte.
Das erklärte Rachel Slade und Jonathan, während sie die wenigen Habseligkeiten der Kinder in den Weidenkorb legte, den sie aus dem Haus der Beechams mitgebracht hatte. Slade Maverick ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Rachel wünschte, er würde sie nicht so anstarren. Er machte sie damit nicht nur nervös, irgendwie wurde ihr so komisch heiß, und sie hatte ganz weiche Knie, als wäre sie weit gelaufen und kriegte keine Luft. Es war ein schrecklich verwirrendes Gefühl. Sie konnte sich nicht erklären, warum er diese Wirkung auf sie hatte. Natürlich sah er sehr gut aus, aber er war auch unglaublich dreckig. Sicher hatte er mindestens eine Woche lang nicht gebadet und sich nicht rasiert. Er stank nach Schweiß, Zigarrenrauch, Whisky, Sattelleder und nach Pferd – erdige, maskuline Gerüche. Überraschenderweise glaubte Rachel aber auch, einen Hauch Kuskusgras zu riechen.
Je bewußter ihr sein Geruch wurde, desto schneller arbeitete sie, bis sie schließlich die Sachen der Kinder nur noch wahllos in den Korb warf. Als ihr das bewußt wurde, fragte sie sich, ob der Streß der letzten Zeit vielleicht schon ihren Verstand in Mitleidenschaft gezogen hatte. Diese seltsamen Gefühle und ihr komisches Verhalten sahen ihr gar nicht ähnlich. Womöglich litt sie an einem Fieber, und sie überlegte ernsthaft, später sogar ein Tonikum einzunehmen.
Slade spürte Rachels Verwirrung, mißdeutete aber die Ursache. Einen Augenblick lang wollte er schon eine Hand auf ihren Arm legen und ihr zur Beruhigung versichern, daß die Beecham-Kinder bei ihm nichts zu befürchten hätten. Aber er wußte, daß sie ihm nicht glauben würde, und er konnte es ihr nicht verdenken. Er war ein harter Mann, der ein hartes Leben lebte. Es war nicht gerade glaubhaft, daß ein Heimatloser, ein Revolvermann plötzlich Wurzeln schlagen und seine Waffen an den Nagel hängen würde. Slade war zwar fest entschlossen, es zu versuchen, aber er wußte nicht, ob es ihm gelingen würde.
Er ließ den Blick durch das Haus schweifen und bemerkte die
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