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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Brandewyne
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Strich durch die Rechnung zu machen, hätte sie sich bestimmt im Lauf der Zeit mit Jonathan arrangiert, davon war Sie überzeugt. Jetzt war alles verloren. Es war einfach nicht fair, dachte sie erbost. Einfach nicht fair!
    Erst in den letzten paar Tagen war ihr das wirkliche Ausmaß ihrer Einsamkeit, seit dem Tod ihrer Eltern und jetzt Indias, bewußt geworden. Sie hatte erst erkannt, als sie die Beecham-Kinder zu sich genommen hatte, wie sehr sie es genoß, Teil einer großen, liebevollen Familie zu sein. Sie hatten ihr eine Lücke in ihrem Leben gezeigt, die so schnell nicht mehr gefüllt werden würde, wenn sie wieder fort waren.
    Natürlich waren da Poke und ihr Großvater. Aber sie wußten nur wenig von weiblichen Problemen, von den schlichten Dingen des Alltags, die Rachel zuerst mit ihrer Mutter, dann mit India und zuletzt mit Eve geteilt hatte. Grandpa und Poke waren Einzelgänger und konnten nicht einmal ahnen, was es für sie bedeutete, daß das Haus mit Lachen und Gerede erfüllt war, selbst mit Streitereien und dem Weinen des kleinen Tobias. Sie würden nie die mütterliche Sehnsucht begreifen, die sich in ihr regte, wenn sie abends das Baby in den Schlaf wiegte und so tat, als wäre es ihr eigenes.
    Rachel hatte geglaubt, sie hätte sich mit ihrem Dasein als Jungfer abgefunden, hatte die Emotionen aus ihrem Dasein ausgemerzt, die für ihre Stellung im Leben nicht angebracht waren. Jetzt wußte sie, daß sie ihre Sehnsüchte nur tief in ihr Innerstes verdrängt hatte und sich immer noch an ihre Träume klammerte, obwohl sie glaubte, daß sie nie Wirklichkeit werden konnten. Denn welche Hoffnung auf einen Ehemann sollte es für sie schon geben?
    Ihr Vater war Schullehrer gewesen, ein Gegner der Sklaverei, ein Revolutionär und ein Idealist- ein Mann, der seiner Zeit weit voraus gewesen war. Er hatte wirklich geglaubt, alle Männer- und Frauen – seien gleich und hatte diesen Glauben auch seiner Tochter Rachel, seinem einzigen Kind, vermittelt. Damit hatte er ihr in vieler Hinsicht keinen großen Dienst erwiesen, denn aufgrund dessen war sie zu einer Frau herangewachsen, die nicht in die Gesellschaft paßte, in der sie leben mußte. Sie marschierte zu einer anderen Trommel als alle anderen Frauen, und jeder spürte es. Die Frauen wußten instinktiv, daß Rachel nicht wie sie war, daß sie nicht ›dazugehörte‹. Die Männer, die keine so gute Beobachtungsgabe hatten, wußten nur, daß sie sich in ihrer Gesellschaft nicht wohl fühlten, eher irgendwie von ihr bedroht. Sie waren es nicht gewohnt, daß eine anständige Frau ihnen kühn ins Auge blickte, höflich ihre Gespräche unterbrach und entschlossen ihre oft gegenteiligen Ansichten vertrat, die sich bei näherem Hinsehen manchmal auch noch als den ihren überlegen erwiesen.
    Die wenigen Männer, die ihr den Hof gemacht hatten, waren, kaum da, schleunigst wieder verschwunden, meist wütend, weil sie das Gefühl hatten, kühl abgeschätzt und für mangelhaft befunden worden zu werden. Das war die schlimmste Beleidigung für das männliche Ego – und noch schlimmer war die Tatsache, daß Rachel keine Ahnung hatte, was sie da getan hatte. Ihr Vater hatte es sie ihr ganzes Leben lang anders gelehrt, und sie fand es äußerst verwirrend und verletzend, daß ihre angeborene Intelligenz und Neugier, ihre Ehrlichkeit und Offenheit als unattraktiv angesehen wurden.
    Nicht, daß sie nicht gewußt hätte, wie Frauen Männer verführten. Sie verstand nur nicht, welchem Zweck diese Spielregeln dienten, und fand keinen Grund, sich daran zu halten. Ihrer Meinung nach waren sie dumm und heuchlerisch, und warum man ausgerechnet solche Charakterzüge lobte und schätzte, konnte sie einfach nicht begreifen. Das war nicht das, was sie von einem Mann wollte, und sie konnte sich nicht vorstellen, daß das ein Mann von ihr wollte.
    Deshalb war ihr einziger Verehrer Gustave Oxenberg – den alle außer Rachel ›Ox‹ nannten. Dieser hochgewachsene Schwede war stark und stur wie das Tier, das ihm seinen Spitznamen gegeben hatte, und genauso unbeirrbar. Daß er auch loyal, zuverlässig und mutig war, wußten die meisten nicht. Er hatte Schwierigkeiten, sich über Dinge zu unterhalten, die nichts mit dem Wetter oder dem Ackerbau zu tun hatten, und deshalb war seine Umgebung der Ansicht, er würde Rachel Wilder nur deshalb weiter den Hof machen, weil keine andere ledige Frau seine hartnäckigen, langweiligen Avancen dulden würde. Die meisten waren sogar der Meinung, Ox wäre

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