Wildes Blut
wieder vernichtet war.
Sie nahm ihren Korb und ging zurück zum Waschzuber, um noch mehr saubere Kleider auszuwringen. Dann erspähte sie plötzlich einen Reiter am fernen Horizont. Sie ließ den Korb fallen, griff sich Toby, schrie Naomi und Andrew zu, ihr zu folgen, und rannte ins Haus. Drinnen angelangt, schlug sie die Tür zu und schob den Riegel vor. Dann nahm sie ihr Gewehr und lugte vorsichtig aus dem Fenster. Es gab keinen Grund zur Annahme, daß die nahende Gestalt ihr Böses wollte. Aber Rachel war mit den drei Kindern allein im Blockhaus und wollte nichts riskieren. Horden wilder Indianer überfielen gelegentlich noch die einsamen Farmen von Siedlern, und böse Weiße – gewissenlose Herumtreiber und ausgekochte Verbrecher – hatten schon des öfteren geraubt, geplündert, vergewaltigt und gemordet.
Als der Reiter näherkam, sah sie zu ihrer Erleichterung, daß es nur ein junger Mann war, etwa siebzehn oder achtzehn, schätzte sie, kaum jünger als sie, und sie war erst im März neunzehn geworden. Er ritt einen großen braunen Wallach, und seine einzige Waffe war ein alter Sharps-Karabiner. Aber Rachel war vorsichtig und ging nicht aus dem Haus. Selbst junge Männer konnten gefährlich sein. Man denke nur an Henry McCarty, alias William Bonney, der im ganzen Land als »Billy the Kid« bekannt war und dessen Mutter die Stadtwäscherei auf der North Main Street in Wichita geführt hatte, ehe sie vor ein paar Jahren nach New Mexico gezogen war.
Der Mann zügelte sein Pferd vor dem Haus und sah sich neugierig um. Als niemand erschien, rief er: »Hallo. Miss Wilder? Hallo? Ist jemand zu Hause?«
Rachel antwortete durch das halbgeöffnete Fenster, das Gewehr gut sichtbar im Anschlag.
»Wer sind Sie, und was wollen Sie?« fragte sie.
»Ich bin Adam Keife, Ma’am«, erwiderte er höflich, »und ich suche Miss Rachel Wilder. Meine Familie hat gerade etwas Land nicht weit von hier gekauft.« Er zeigte mit dem Daumen in Richtung Osten. »Wir wollen Ackerbau betreiben und müssen deshalb einen Brunnen graben. Jemand in der Stadt hat uns erzählt, daß außer dem Halbblut Seeks, von dem wir nicht wissen, wo er ist, Miss Wilder der beste Wünschelrutengänger in dieser Gegend ist. Bin ich hier richtig, Ma’am? Sind Sie Miss Wilder?«
»Ja, auf beide Fragen. Einen Moment, ich komm’ raus.«
Rachel trat aus der Tür, das Gewehr hatte sie immer noch in der Hand, aber es war nicht mehr auf den jungen Mann gerichtet. Adam Keife schien das nichts auszumachen, er musterte ihre Waffe wohlwollend. Dann stieg er unbekümmert vor sich hinpfeifend vom Pferd und band es fest. Den alten Karabiner ließ er im Sattelschuh stecken. Er zog seinen zerbeulten Filzhut, ging auf Rachel zu und reichte ihr die Hand, offensichtlich überzeugt, daß sie ihm die ihre nicht verweigern würde. Sein schlanker, junger Körper und die Art und Weise, wie er lässig auf sie zuschlenderte, erinnerten sie so sehr an Slade, daß sie lächeln mußte.
»Wie geht’s, Ma’am?« begrüßte er sie grinsend und schob sich eine dunkelbraune Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine überraschend grünen Augen funkelten, als sie den ihren begegneten. »Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Hallo«, sagte Rachel und schüttelte ihm die Hand. Sein Händedruck war kräftig und freundlich, seine Unverschämtheit entwaffnend. Ein Grübchen erschien an seinem linken Mundwinkel, als er sie angrinste, und sie beschloß, daß sie ihn mochte und daß sie von ihm doch nichts zu befürchten hatte. »Einen Moment, ich hol’ nur schnell das Baby.« Er nickte, und sie ging kurz ins Haus, erschien dann mit Toby auf dem Arm und Andrew und Naomi, die sich an ihre Röcke klammerten. »Sagt guten Tag zu Adam Keife«, befahl sie den beiden älteren Kindern.
»Hallo, Adam Keife«, sagten die zwei im Chor.
»Ja, hallo.« Der junge Mann beugte sich zu ihnen hinunter. »Wer seid ihr denn?«
»Ich bin Naomi«, meldete sich das kleine Mädchen zuerst. »Und das ist mein Bruder Andy und da drüben, das is mein Bruder Toby. Wir ham die große, alte Spinne aus ihrem Loch gejagt, und dann bist du gekommen«, sagte sie etwas pikiert. »Andy hat grade das Wasser reingegossen, damit sie am anderen Ende rauskommt, und dann haben wir ins Haus müssen, weil wir nicht wußten, ob du ein böser Mann bist. Jetzt ist sie bestimmt weggelaufen.« Ihre Enttäuschung war offensichtlich.
Adam lachte.
»Na ja, vielleicht doch nicht«, sagte er zwinkernd. »Spinnen mögen kühle,
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