Wildes Erwachen
mit tierischem Geheule auf seine Frau und prügelt sie, perfekt gespielt, durch die Wohnung. Der deutsche Gast spitzt aus dem Badezimmer und verfolgt das Geschehen mit Entsetzen. In der Überzeugung, dass er das nächste Opfer des Rasenden sein werde, nützt er die Chance, durch die offene Wohnungstür zu entweichen. Den Gedanken an Kleidung, Geld und Papiere hat die Todesangst verdrängt. Ein hilfreicher Hausbewohner versorgt ihn mit einer Decke und bietet sich sogar an, ein Taxi zu rufen, das, welch ein Zufall, schon vor der Haustüre steht. Zur Polizei gehen in diesen Fällen die Wenigsten, weil der Geschädigte sich schämt und er auf jeden Fall vermeiden will, dass sein Missgeschick irgendwie in der Öffentlichkeit seines Wohnortes bekannt wird.«
Kral zwang sich pflichtschuldig ein Grinsen ab, denn lustig schien ihm die Geschichte nicht: Warum amüsiert sich ein tschechischer Polizist dermaßen über eine kriminelle Handlung und das entsprechende Opfer? Natürlich war da angesichts extremer Dämlichkeit kein Mitleid angebracht! Aber irgendwie hatte er den Eindruck, dass es Schadenfreude war, die den Ascher Polizisten erheiterte: Da kannst du mal sehen, wie dämlich ihr Deutschen seid!
Sieh du mal zu, mein lieber Schwejk-Verschnitt, dass du deine Arbeit gründlicher machst, hätte Kral ihm am liebsten geraten. Natürlich wollte er den Polizeichef nicht verprellen, aber er wollte auch nicht mit seiner Kritik hinterm Berg halten: »Sie haben mich gerade gefragt, wie man in Selb über euch denkt. Und da muss ich Ihnen schon sagen, dass man die Arbeit der tschechischen Polizei ziemlich kritisch sieht: Nehmen wir mal die Prostitution mit diesen ganzen unerfreulichen Nebenerscheinungen. Es entsteht einfach der Eindruck, dass ihr das nicht in den Griff kriegt.«
Jetzt zeigte Svoboda, dass er auch giftig werden konnte, sein Gesicht lief rot an und er polterte los: »Dann frage ich Sie, was wir gleich machen? Wenn das keine knallharte Maßnahme gegen die Mafia ist, dann weiß ich auch nicht weiter! Im Übrigen führen wir die Gesetze aus, die man in Prag gemacht hat, die aber, das muss ich leider sagen, nicht immer in unsere Grenzregion passen.«
Und davon, dass mancher Gesetzeshüter beide Augen zudrückt und die Hand aufhält, sagst du nichts, dachte Kral, signalisierte aber mit einem nachdenklichen Kopfnicken Verständnis für Svoboda.
Dessen Blick auf die Uhr beendete das Gespräch. Im Hof der Villa, die die Ascher Polizeistation beherbergte, bestiegen sie einen Streifenwagen. Es ging hinauf zum Stadtbahnhof, wo sie nach links in die Ringstraße einbogen. Nach etwa 150 Metern würden sie auf die Tosta stoßen, die jenseits des Bahngleises rechter Hand lag. Svoboda bog nicht in die Einfahrt zu dem Komplex ab, sondern fuhr noch ein paar Meter weiter auf einen Park zu, wo ein roter Bus parkte.
»Haben wir uns von der Feuerwehr Cheb ausgeliehen, dient uns als Einsatzleitstelle«, kommentierte der Chef der Ascher Polizei.
Die beiden stiegen in den Bus und gelangten zunächst in einen Besprechungsraum, der sich nach hinten zu einer mit Telefonen und Funkgeräten bestückten Kommunikationszentrale öffnete.
Sofort entdeckte Kral Aneta Kučerová, die am Funktisch saß. Auf sein lautes »Hallo!« erhob sie sich lachend. Er ging auf die junge Frau zu, nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich, obwohl Umarmungen außerhalb des engen Familienkreises sonst nicht so sein Ding waren.
»Freut mich sehr, Sie zu sehen!«, begrüßte er sie.
»Mich nicht weniger«, antwortete sie auf Deutsch. Die erstaunten Blicke ihrer beiden uniformierten Kollegen nahm sie zwar zur Kenntnis, aber eine Aneta Kučerová ließ sich davon nicht beirren: »Lassen Sie uns einfach Deutsch reden!«, fuhr sie fort, »Sie müssen doch hören, welche Fortschritte ich gemacht habe.«
»Die allerbesten, will ich meinen!«, antwortete Kral mit aufrichtiger Bewunderung, denn die Polizistin sprach fehlerfrei und ihr Akzent war auf ein Minimum reduziert.
Svoboda klatschte die Hände: »Meine Dame, meine Herren, bitte die Positionen einnehmen, der Einsatz beginnt in zehn Minuten!«
Kral setzte sich neben Oberleutnant Kučerová und legte den Einsatzbefehl vor sich auf den Tisch. Er blickte auf Svoboda: »Hat er die Leitung?«
Sie nickte.
»Und Brückner?«
»Vor Ort, leitet den Zugriff.«
Die Lässigkeit in Person, wandte sich der Einsatzleiter an seine Nachbarin: »Aneta, dein Auftritt!«
Der Oberleutnant bat die Abschnittsleiter der
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