Wildes Herz
war einfach grausam und trieb mir die Tränen in die Augen.
„Ja, indirekt ist er eines“, antwortete Jesse. „Wie ich es bin und Tyler …“
Noch ein Puzzleteil aus Tylers Vergangenheit.
„Klappe, J!“, knurrte Tyler verärgert. Er konnte es nicht verknusen, dass Jesse etwas über ihn ausgeplaudert hatte. „Wir sind wegen Leon hier, wenngleich ich mich frage, was er bitteschön hier zu suchen hatte. Der Blutsauger ist ganz sicher kein Gliwice …“ Erkenntnis trat in Tylers Blick. „Er war einer der Wichser auf der anderen Seite! Einer dieser Mistkerle!“
„Stopp!“ Jesse unterbrach Tyler in dessen Wutausbruch. „Es ist korrekt, dass wir Leon in Gliwice fanden. Das war jedoch vor fünf Jahren. Leon war gerade mal sieben Jahre alt beim ersten Mal, als sie das Labor hochgehen ließen. Also nein, er ist keiner von den Mistkerlen. Als wir ihn vor fünf Jahren fanden, saß er auf der anderen Seite des Käfigs und war selbst ein Versuchsobjekt.“
Tyler beruhigte sich ein wenig. „Und deshalb war er hier? In der Hoffnung herauszufinden, was passiert ist? An seiner Stelle würde ich die Vergangenheit ruhen lassen.“
„Das sagt sich so leicht!“, entrüstete sich Enya. „Was würdest du tun, wenn du keine Erinnerungen mehr hättest?“
„Ich wäre glücklich“, erwiderte Tyler und das war sein purer Ernst. „Der Blutsauger war hier, ist es aber nicht mehr“, wechselte er das Thema. „Wenn ihr ihn in Gliwice aufgegabelt habt, dann wird er wohl jetzt dorthin gegangen sein.“
„Ich lasse Corwin es checken. Vielleicht hat Leon ja seine Kreditkarte benutzt. Aber ich denke, Tyler hat recht. Sein Handy hat Leon aus. Doch alle Indizien sprechen dafür.“
„Also Polen?“, fragte ich nicht gerade erfreut, war das osteuropäische Land berühmt für sein rigides Vorgehen gegen unser Volk. Wir waren in Polen nicht willkommen. Die dort ansässigen Vampirclans rühmten sich mit der Lykanerfreiheit ihres Landes. Sicherlich gab es Streuner oder auch Durchreisende, doch es gab in Polen nicht ein einziges Wolfsrudel mehr. Sie hatten einen Großteil getötet, oder wenn die Rudel Glück hatten, nur vertrieben. Ich hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengrube, beim Gedanken dorthin reisen zu müssen.
„Sieht so aus!“, seufzte Chris. „Warten wir Corwins Bestätigung ab.“
Kapitel 14
Chris war seit dem Telefonat mit Corwin schrecklich aufgekratzt und das hatte nichts mit der momentanen Situation zu tun. Er sah gedankenverloren aus dem Autofenster, hatte er Tyler das Steuer überlassen. „Tank und Jen sind heute gegangen.“
„Er war nur geduldet im Rudel, dass sie irgendwann gehen, das war doch klar gewesen. Ich meine …“
„Sie suchen sich kein neues Rudel“, unterbrach mich Chris zutiefst besorgt. „Er fordert Seth heraus und da wäre ich gerne dabei gewesen. Ich traue diesem Widerling nur so weit, wie ich in sehen kann. Meg, ich habe das schlechte Gefühl, dass es nicht fair ablaufen wird. Bei einem fairen Kampf würde ich mein gesamtes Hab und Gut auf Tank verwetten, aber so …“
Nicht, dass ich schon ein schlechtes Gefühl wegen Leon hatte, nein, jetzt nagte auch noch ein ungutes Gefühl dank Tank in meiner Magengegend. „Schickst du wen hinterher?“
„Abby und Aaron, auch wenn ich ungern meine Führungsriege dorthin schicke.“
„Abigail?“ Tyler schlug auf das Lenkrad mit aller Wut. „Bist du des Wahnsinns …“ Er verschluckte den Rest, war er gerade dabei seinen Alpha zur Schnecke zu machen. Jeder andere Alpha hätte ihn dafür bluten lassen, aber nicht Chris. Auf sein Gesicht schlich sich ein wissender Ausdruck. „Ich weiß, dass du ein Auge auf Numero due geworfen hast, Ty. Doch du hast nicht den Mumm, sie zum Essen einzuladen.“
„Sie ist ranghöher. Die Initiative muss von ihr kommen“, entgegnete Tyler kreuzunglücklich. Eine meiner Meinung nach dumme und antiquierte Reglung, die noch von Tim, dem Alpha vor Chris stammte. Er musste eine echt üble Type gewesen sein, der seine Wölfe schikaniert hatte. Chris war nur kurz unter ihm Beta gewesen. Bei solchen Regeln war es kein Wunder, dass es nur noch so wenige von uns gab!
„Von Mutter? Initiative? Dann wäre sie heute noch Jungfrau!“, lachte Enya unverschämt. „In Beziehungsdingen ist Mutter Legastheniker, wie so viele Dominante. Mein Vater war drei Ränge unter ihr und dennoch hat er sie eingeladen. Man muss nur wissen, wie man es an den dominanten Wolf bringt. Du musst es so aussehen lassen, als wäre die
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