Wildes Herz
sein soll.“ „Versteh ich auch nicht so, mein Sohn. Es ist die Wahrheit. Wär’n Sie Jannas Mann und sie hätte das Gold, würden Sie sie beschützen. Sie wäre in Sicherheit und auch das Gold. Aber sie ist nicht schwanger, und deshalb sind Sie nicht Ihr Mann. Was bedeutet, mein Gold wird von keinem Mann beschützt, sobald es unterwegs ist.“
„Die Tatsache, dass ich nicht schwanger bin, sollte dich von seiner Ehrenhaftigkeit überzeugen“, wandte Janna rasch ein. „Wenn Ty sich bereit erklärt, dein Gold wegzubringen, kannst du sicher sein, dass er es nicht für sich selbst nimmt.“
Mad Jack gab ein Geräusch von sich, das eine Mischung aus Brummen und Schnauben war. „Zum Teufel, Mädchen! Wenn du nicht schwanger bist, dann deswegen, weil er dich nicht gefragt hat, und nicht, weil du Nein gesagt hast. Seine Ehre mag damit gerettet sein, aber was seine... männlichen Gelüste angeht, das ist eine ganz andere Geschichte.“
Bei der Erkenntnis, dass er wusste, wie sehr sie von Ty als Frau gesehen werden wollte, lief Janna hochrot an. Dann wich das Blut wieder aus ihrem Gesicht, und Janna wurde sehr blass. Sie hätte sich umgedreht und wäre gegangen, hätte sie nicht gespürt, dass Mad Jack einen guten Grund hatte, die Grenzen seiner auch sonst schonungslosen Offenheit weit zu überschreiten. Sie blickte dem Goldgräber ins Gesicht und bemerkte die gelblich schimmernde Blässe unter der wettergegerbten Haut. Der alte Mann war immer dürr gewesen, jetzt sah er beinahe zerbrechlich aus. Er wirkte verzweifelt.
Nachdenken konnte eine ernste Angelegenheit für einen Mann sein, vor allem wenn er alt und krank war und nur eine einzige Chance besaß, die Fehler der Vergangenheit wieder gutzumachen.
Janna nahm ihren Mut zusammen, schob die eigenen verletzten Gefühle beiseite und fasste Mad Jack beruhigend am Arm. „Mit Tys Ehre und mit seinen männlichen Gelüsten ist alles in bester Ordnung“, sagte sie in bebender Ruhe. „Er hat genommen, was ich ihm angeboten habe. Und dann beschlossen, dass es nicht das Richtige für ihn war. Das ist alles.“
„Janna...“, begann Ty.
„Was?“ unterbrach sie ihn, ohne den Blick von Mad Jack abzuwenden. „Ich habe mich nicht vornehm und umständlich ausgedrückt wie
Ty, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Ich habe ihn gewollt, er hat mich genommen, und jetzt will er mich nicht mehr. Das ist eine alte Geschichte. Die älteste Geschichte der Welt, wenn ich den Büchern glauben kann, die ich gelesen habe. Aber das nimmt Ty nichts von seiner Ehre. Er hat mich nicht belogen, kein Süßholz geraspelt, keine blumigen Versprechungen gemacht, nicht einmal auf die Art, wie Männer das nach deinen Worten tun, Jack, wenn sie Hunger nach einer Frau haben. Es gab nur die Nacht, ihn und mich.“
Mad Jack schwieg für einen langen Augenblick, dann seufzte er und tätschelte ihre Hand. „Tut mir Leid, Mädchen.“
„Keine Ursache. Mir tut es nicht Leid. Wenn ich im nächsten Winter wieder die Bücher aus meiner Truhe lese, werde ich sie besser verstehen. Es gibt nichts, was ich zu bedauern hätte. Auf diese Weise wird mir die Wartezeit bis zum Frühling weniger lang. Dann wirft Zebra ihr Fohlen, um das ich mich kümmern kann, und wenn der Sommer zu Ende geht, reite ich wieder auf ihr. Wir werden gemeinsam über die Hochfläche fliegen wie der Schatten eines Habichts, die bunten Herbstfarben kommen, der Atem der Wildpferde schwebt in weißen Wolken am Boden, der Schnee färbt die Nächte silbern, und ich erfinde Geschichten über die tanzenden Schatten, die das Lagerfeuer gegen die Felswände meiner Höhle wirft; Menschen, Orte und Erinnerungen werden lebendig ...“ Janna konnte nur noch flüstern. „Es muss dir nicht Leid tun.“
Ty versuchte zu sprechen und musste feststellen, dass seine Stimme versagte. Jannas Worte hatten ihm die Kehle zugeschnürt und erfüllten ihn mit Schmerz. Er presste die Zähne zusammen, um die Traurigkeit zu unterdrücken, die ihn mit einem Mal überwältigte.
„Du kannst nicht bleiben“, meinte er rau.
Es war, als hätte er nichts gesagt. Janna hielt den Blick auf den alten Goldgräber gerichtet, der sie ansah und dabei langsam den Kopf schüttelte.
„Er spricht die Wahrheit“, sagte Mad Jack. „Du kannst hier nicht bleiben, Mädchen. Jetzt nicht mehr. Ich habe auch darüber nachgedacht. Hab mir lange den Kopf zerbrochen. Und von meinem Gold steht dir ein großer Anteil zu.“
„Rede keinen Un...“, begann sie.
„Nein, nein,
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