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Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe 1 - Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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viel sagt, und neben Josefine kam ich mir noch kleiner und dümmer vor, als ich mich sowieso schon immer fühlte. Und während sie in ihr eigenes Heft schrieb, behielt sie offenbar auch noch mich im Blick.
    »Also, Clara, zufälligerweise ist doch kein Adjektiv! Wenn du es nicht verstanden hast, wieso fragst du dann nicht?«
    »Warum machen wir es nicht einfach zusammen?«, sagte ich und merkte, wie meine Wangen vor Verlegenheit rot wurden.
    »Weil es so viel schneller geht«, sagte sie und damit hatte sie wahrscheinlich sogar recht, aber sonderlich spannend war es echt nicht.
    Jedenfalls nicht, bis Josefine plötzlich einen schrillen Schrei ausstieß und vom Tisch aufsprang.
    »Maaaaus!« , heulte sie und zeigte mit zitterndem Finger auf mich. »Maaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaus!«
    Ich übertreibe nicht. Dieser Mäuseschrei war wirklich mehrere Sekunden lang.
    Aber sie hatte recht. Vor mir auf dem Tisch, in meinem offenen Mäppchen, saß eine dünne graue Maus. Allerdings nicht sehr lange, denn noch während Josefine schrie, flitzte sie über den Tisch und verschwand in meinem linken Pulliärmel.
    »Josefine, hör mit der Schreierei auf«, sagte Herr Eriksen, unser Dänischlehrer. »Was für eine Maus?«
    »Da«, sagte sie und fuchtelte mit beiden Händen in meine Richtung. »In Claras Mäppchen!«
    »Da ist doch keine Maus.«
    »Nein, jetzt nicht mehr, aber …«
    »Habt ihr anderen die Maus gesehen?«, fragte Herr Eriksen. Markus und Tea, die ebenfalls zu unserer Arbeitsgruppe gehörten, schüttelten den Kopf. Sie hatten zu Josefine geschaut, weil sie so schrie, und nicht zur Maus.
    Und ich sagte auch nichts. Ich konnte den kleinen, warmen Körper der Maus auf der Haut spüren, in meinem Ärmel, ihre spitzen, kleinen Krallen und ihr weiches Bauchfell, aber ich sagte nichts.
    »Da war eine Maus«, sagte Josefine.
    Herr Eriksen beugte sich nach unten und warf einen Blick unter den Tisch. Jetzt schaute die ganze Klasse auf den Boden und spähte unter Stühle und Tische.
    »Ihhh, da, eine Maaaaus !«, quietschte Amjad mit aufgesetzt schriller Stimme, die ausreichend an Josefines erinnerte, um die anderen zum Lachen zu bringen.
    »Ja, danke, es reicht jetzt, Amjad. Setzt euch wieder hin. Josefine, falls da eine Maus gewesen ist, dann ist sie jetzt jedenfalls weg. Seht zu, dass ihr langsam mit eurer Aufgabe fertig werdet.«
    Die restliche Stunde saß ich ganz still mit einer Maus im Ärmel an meinem Platz, und es fiel mir ein bisschen schwer, mich auf den Unterschied zwischen Adjektiv und Adverb zu konzentrieren. Die Maus tat gar nichts. Sie bewegte sich nicht, abgesehen von einem leichten Zittern ab und an. Sie versuchte nicht, meinen Arm weiter hochzulaufen, und sie versprach sich offenbar auch nichts davon, die Schnauze in die Luft zu strecken. Sie versteckte sich nur – und wartete. Ohne dass ich selbst verstand warum, ließ ich sie einfach gewähren. Und als die Stunde endlich um war, packte ich meine Bücher ein, wobei ich meinen linken Arm so wenig wie möglich benutzte, warf meinen Rucksack über die rechte Schulter, nahm meine Jacke vom Haken und ging.
    »Willst du die Jacke nicht lieber anziehen?«, fragte Oscar. »Ich meine, wo du doch gerade erst krank warst …«
    Obwohl es Oscar war, der das sagte, klang es irgendwie mama-mäßig. Ich glaube, er machte sich wirklich Sorgen um mich. Ich schaute mich hastig um. Josefine war nicht in der Nähe, und Herr Eriksen stand ein Stück weg und besprach irgendwas mit einem anderen Lehrer.
    »Ich habe eine Maus im Ärmel«, sagte ich leise.
    » Was hast du?«
    »Psssst.«
    Er starrte mich an. »Ist sie zahm?«, fragte er. »Ist es eine von diesen Weißen?«
    »Nein. Komm. Ich muss rausfinden, was sie von mir will.«
    »Hä?«
    Ich hörte ja selbst, wie bescheuert das klang, aber ich wusste einfach, dass sie etwas von mir wollte. Dass es kein Zufall war, dass sie sich erst in meinem Mäppchen und dann in meinem Ärmel versteckt hatte.
    »Ich weiß auch, dass das komisch klingt«, sagte ich.
    Er grinste. »Hey. Du bist komisch«, sagte er. »Das ist nichts Neues.«
    »Gar nicht wahr. Ich bin ganz normal.« Klein, schüchtern und leberwurstartig vielleicht, aber normal. Zumindest bis zu dem Tag, an dem mich eine Riesenkatze angefallen und dafür gesorgt hatte, dass ich aussah, als wäre ich in ein Reibeisen gelaufen. »Jedenfalls auch nicht komischer als du!«
    »Komm schon«, sagte er nur. »Ich will die Maus sehen.«
    Wir gingen zu den alten Toiletten im Hof, die fast

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