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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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Schwarm von Schwestern flog auf.
    Jetzt rannte ich. Ich stürmte die Treppe hinunter, aber ich schaffte trotzdem nur ein paar Schritte, bevor mich die ersten trafen.
    »Haut ab!«, schrie ich mit aller Wildhexenkraft. » HAUT ENDLICH AB! «
    Ich fuchtelte mit den Armen und erwischte dabei bestimmt auch etliche von ihnen, aber es waren so unendlich viele. Bumm. Bumm. Bumm. Wie weiche Gummibälle schlugen sie gegen meinen Rücken und meinen Kopf, gegen Schultern und Brust, Arme und Beine.
    Das war scheußlich, aber mir wurde trotzdem sehr schnell bewusst, dass sie tatsächlich nicht bissen. So gesehen war es wie bei den Wildhunden und Möwen. Vielleicht konnte ich es bis zur Haustür schaffen, vielleicht gelang es mir, nach draußen …
    Ich zwang mich selbst vorwärts. Ich hörte auf, nach ihnen zu schlagen, mit Ausnahme von denen, die auf mein Gesicht zielten. Aber sie ließen nicht von mir ab. Sie krallten sich mit ihren Klauen an mir fest. Alles an mir wurde schwerer und schwerer, und ich rutschte an der Kante einer Treppenstufe ab, weil ich meinen Fuß nicht hoch genug anheben konnte. Hektisch griff ich nach dem Geländer, aber meine Arme wogen einige Kilo mehr als sonst. Ich geriet ins Taumeln und fiel, stürzte nach unten, nicht auf eine harte Treppe, sondern auf Hunderte von weichen Körpern. Ich hörte das Geräusch kleiner, leichter Knochen, die wie dürre Zweige brachen, und spürte eine nasse Wärme an meiner Hüfte. Mir tat nichts weh. Es war nicht mein Blut. Aber das Gewicht über mir vergrößerte sich schlagartig auf mindestens das Doppelte.
    Ich werde ersticken, dachte ich und fing wieder an, mit meinen schweren Armen um mich zu schlagen, mit meinen schweren Beinen zu treten, meinen schweren Körper zu winden. Ich schaffte es fast auf die Füße, fiel wieder hin, kämpfte, um wieder nach oben zu kommen …
    »Clara!« Ich glaube, es war Oscars Stimme, aber er klang viel weiter weg, als er in Wirklichkeit war.
    »Komm zurück!« Tante Isas Rufen durchschnitt das Rauschen der Flügel. »Clara, du kannst es nicht schaffen. Komm wieder hoch!« Dann ertönte ein gellender, durchdringender Ton, ein Wildgesang, aber ein Wildgesang, wie ich ihn noch nie gehört hatte. Der Druck über mir ließ ein wenig nach, und ich kam einigermaßen auf die Füße und konnte mich zum Geländer vorkämpfen. Ich klammerte mich daran fest und zog mich selbst ein paar Schritte die Treppe hoch, als plötzlich eine Hand nach meiner griff. Ich schlug den Flügel einer Schwester vor meinem Gesicht weg und sah, dass die Hand Shanaia gehörte. Sie zog mich mit sich, während ihr Wildhexenschrei so anschwoll, dass es kaum zu fassen war, wie all diese Töne aus einem einzelnen Mädchen kommen konnten. Tante Isa sang jetzt auch, und ich konnte sehen, wie sie und Oscar nach den Schwestern schlugen, nicht nur mit den blanken Händen, sondern mit schweren Büchern, die sie wie Tennisschläger benutzten, so als wären die Schwestern die Bälle. Mit Shanaias Hilfe krabbelte ich zurück auf den Treppenabsatz, und als Tante Isa meinen Arm zu fassen bekam, schaffte ich es, die letzten Schritte ins Wohnzimmer zurückzuwanken.
    Tu-Tu schlüpfte gerade noch durch die Tür, bevor Oscar sie zuknallte. Er hatte auch gekämpft, das sah man ihm an. Ein Flügel und sein Schnabel bluteten. Shanaia griff nach einem Buch und knallte es einem der Schwesternvögel auf den Kopf, der mit uns ins Zimmer geraten war. Tante Isa riss ein paar von ihnen aus meinen Haaren und von meinem Rücken runter.
    Oscar, Shanaia und Tante Isa bluteten alle aus neuen Wunden. Am schlimmsten war Shanaia zugerichtet worden, ihre Schulter war ziemlich zerfetzt. Die Schwestern hatten ihr die Lederjacke noch weiter aufgerissen, und ihre nackte, blutende Schulter ragte aus dem Futterstoff. Die Haut war offen. An einer Stelle schimmerte etwas Bläuliches, Sehniges in der Wunde. Shanaia hatte nicht auf sich selbst geachtet, sie hatte nur gekämpft, um mich zu retten.
    Ich war die Einzige, die nicht blutete. Das machte mir eine seltsame Form von schlechtem Gewissen. Ich fand mich doch so mutig, als ich loszog, um die anderen zu retten, aber stattdessen mussten am Ende sie mich retten und dafür mit Wunden, Blut und Schmerzen bezahlen.
    »Es tut mir leid«, sagte ich, obwohl ich ja eigentlich nichts Falsches getan hatte.
    »Einen Versuch war es wert«, sagte Tante Isa nur und legte beide Hände auf Shanaias Schulter. Wieder erklang Wildgesang, der ruhige, brummende, den ich besser kannte

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