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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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dich? Aber wenn es dich glücklich macht, von mir aus gerne. Geh du nur ruhig zurück in dein armseliges Leben. Und nimm deine Rockzipfelhänger mit.«
    »Schwörst du das?«, fragte Tante Isa. »Schwörst du bei Blut und Leben, bei List und Laune, bei Kraft und Kern? Schwörst du, bei allem, was du bist, bei allem, was du warst, bei allem, was du werden kannst? Schwörst du ?«
    Es lag ein Klang von Wildgesang in diesen Worten, und ich begriff plötzlich, dass es mehr als nur ein Versprechen war, das Tante Isa haben wollte. Es war eine Beschwörung.
    »Du bist schlau, was?«, sagte Nichts mit Chimäras Stimme. Tante Isa erwiderte nichts. Sie nahm mir wortlos das Buch aus der Hand und hielt es über die Flammen im Kamin.
    »Schön«, sagte Chimära, »wenn es dir so wichtig ist. Ich schwöre, dass alle in diesem Raum frei gehen können und niemand hier euch schaden wird, sobald ihr euren Teil der Abmachung erfüllt habt und alles offenbart ist. Das schwöre ich, bei Blut und Leben, bei List und Laune, bei Kraft und Kern, bei allem, was ich bin, bei allem, was ich war, bei allem, was ich werden kann. So sei es!«
    Als die letzten Worte verklangen, war es, als wäre die Luft für einen Augenblick dicker geworden und das Atmen wurde schwer. Die Flammen flackerten, und Nichts kippte um, wieder kurz davor, ohnmächtig zu werden.
    »Hilfe«, sagte sie mit ihrer ganz und gar eigenen, sehr leisen Stimme, »Ich glaube … ich glaube, mein Kopf fällt auseinander.«
    Tante Isa blieb eine Weile stehen und lauschte. So lange, dass Oscar anfing, beunruhigt zu zappeln.
    »War es das?«, sagte er. »Also, nicht, dass es nicht abgefahren klang , aber …«
    »Diesem Versprechen kann sie nicht entkommen«, sagte Tante Isa. »Nicht, wenn sie weiterleben will.« Sie drehte sich vom Kaminfeuer weg und öffnete das Buch.
    »Was steht da?«, fragte Oscar.
    Tante Isa runzelte die Stirn. »Nichts Besonderes«, sagte sie. »Shanaia, ist das hier die Handschrift deiner Tante Abbie?«
    Sie zeigte ihr das Buch, und Shanaia nickte.
    »Ja. Das ist ihr Notizbuch oder besser gesagt eins davon. Sie hat immer aufgeschrieben, wann die Schwalben kamen, wo man Pfifferlinge findet, wie viel Zucker in ihre Blaubeermarmelade gehört. All so was … es gibt auch noch jede Menge andere Bücher von ihr hier in den Regalen, manche sind leer, entweder weil die Tinte verblasst ist oder weil nie etwas reingeschrieben wurde … das hier ist so eins.«
    »Seltsam«, sagte Tante Isa. »Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass Chimära das alles hier veranstaltet hat, nur weil sie ein Rezept für Blaubeermarmelade sucht …«
    »Darf ich mal sehen?«, fragte ich.
    Sie gab mir das Buch.
    »Für ein Kilo Blaubeeren benötigt man ein Kilo Zucker«, stand da in einer steilen und etwas schlampigen Handschrift, die dann wohl Tante Abbies sein musste. »Eventuell etwas Johannisbeerensaft hinzugeben und eine Messerspitze Pfeffer, das sorgt für Pepp und rundet den Geschmack ab …«
    Aber das war nicht alles.
    »Da steht noch mehr«, sagte ich. »Dahinter. Darunter … Schau!«
    »Wo?«, sagte Tante Isa.
    »Na da!« Es war eine andere Handschrift, und sie war weniger deutlich, aber je länger ich auf das Papier schaute, umso klarer konnte ich sie erkennen. Ich konnte gar nicht verstehen, dass Tante Isa nicht sofort sah, was ich gesehen hatte.
    »Ich erkenne da nur Blaubeermarmelade«, sagte sie. »Shanaia? Du?«
    Shanaia humpelte näher – offensichtlich war nicht nur ihre Schulter verletzt. Sie betrachtete die Aufzeichnungen ihrer Tante. Und nur die.
    »Ich sehe nichts«, sagte sie. »Nichts außer Tante Abbies Schrift.«
    »Ja, aber, da steht es«, sagte ich und schaute noch einmal extragründlich nach. Ich blätterte weiter, um zu sehen, ob die Schrift sich fortsetzte. Das tat sie – noch deutlicher. Der Text war schwer zu lesen, weil die Buchstaben ein bisschen anders waren als die, an die ich gewöhnt war, aber da stand etwas.
    »Lies laut«, sagte Tante Isa. »Wenn du kannst …«
    Ich hielt das Buch so, dass das Licht aus dem Kamin auf die Seiten fiel. Und sobald ich die ersten drei verzweifelten Worte gesehen hatte, war es, als würde der Raum um mich herum verschwimmen, als hätten nur noch die Worte auf dieser Seite Bedeutung. Ich las …

20  VERGESSEN

    Ich bin Viridian. Ich bin gezwungen, dies hier niederzuschreiben. Wenn ich es nicht schreibe, werde ich mich selbst bald kaum daran erinnern können. Ich muss es niederschreiben und jeden Tag lesen. Jeden

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