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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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als Shanaias wilden Kampfschrei, und es schien, als würde die Blutung ein wenig nachlassen. Shanaia war totenblass, und ihre geschminkten, dunklen Augen sahen noch schwärzer aus.
    »Das wird nichts«, sagte Oscar außer Atmen und saugte an seinem Handgelenk, das noch einen Haifischvogelbiss abbekommen hatte. »Auf diese Weise kommen wir nie raus.«
    »Können wir nicht die wilden Wege benutzen?«, fragte ich.
    Tante Isa schüttelte den Kopf. »Es gibt nicht viele Wildhexen, die in der Lage sind, hinter Türen die wilden Wege zu finden«, sagte sie. »Die allermeisten von uns brauchen den Himmel über dem Kopf und Gras, Erde oder Steine unter den Füßen.«
    Kater kann es, dachte ich. Aber er benötigte natürlich auch nur Nebellöcher in seiner Größe – so eine Art Katzenklappe für Fortgeschrittene. Und außerdem war mir mit der Zeit klar geworden, dass seiner Ansicht nach die meisten Regeln und Gesetze des Universums für ihn keine Gültigkeit hatten.
    Tante Isa sang wieder für Shanaias Schulter. Und noch mal.
    »Wir haben nicht mal genug Wasser«, sagte sie. »Oscar, schau nach, ob sich in der Hausbar noch etwas anderes findet als schlechter Sherry. Wodka oder Schnaps wäre am besten.«
    »Tante Abbie mochte am liebsten Cognac«, sagte Shanaia heiser. »Ich glaube nicht, dass sie sich viel aus Wodka gemacht hat.«
    »Wieso ist das so wichtig?«, fragte ich.
    »Das hier ist eine hässliche Verletzung«, antwortete Tante Isa. »Selbst mit Wildgesängen … Es wäre gut, sie zu reinigen. Und Wodka ist beinahe reiner Alkohol.«
    »Da ist kein Schnaps«, sagte Oscar, der etwas geöffnet hatte, was nur dem Augenschein nach ein Mahagonibücherschrank war. »Aber es gibt noch Whisky. Geht der auch?«
    »Das ist besser als nichts, nehme ich an«, sagte Tante Isa.
    Oscar brachte die Flasche, und Tante Isa kippte vorsichtig etwas von der klaren Flüssigkeit auf Shanaias Schulter.
    Shanaia schnappte nach Luft. Es war nicht zu übersehen, dass das mehr als nur ein bisschen brannte.
    »Entschuldige, Schatz«, sagte Tante Isa leise. »Aber …«
    »Ich weiß«, sagte Shanaia und biss die Zähne zusammen. »Ich weiß.«
    Aber das Seltsame war, dass sie trotz der Wunde und des Schmerzes besser aussah als vorhin, als ich zum ersten Mal in das Wohnzimmer gekommen war. Das Resignierte und Verlorene waren verschwunden. Ihre Augen waren wieder lebendig.
    »Danke, dass du mich gerettet hast«, sagte ich. »Ohne dich wäre ich die Treppe nicht wieder raufgekommen.«
    Es war nicht gerade ein Lächeln, aber sie nickte.
    »He, was ist mit uns ?«, sagte Oscar. »Wir haben dich auch gerettet.«
    »Ja, natürlich. Danke.«
    »Wie reizend«, sagte Nichts plötzlich mit Chimäras Stimme. »Aber ich sehe, ihr habt den Auftrag nicht ganz verstanden.«
    Wir drehten uns alle gleichzeitig nach Nichts um, die immer noch auf dem Boden lag, die Beine in die Luft gestreckt, sich aber offenbar trotzdem gut als Sprachrohr eignete. Im selben Augenblick hörten wir ein gewaltiges Dröhnen. Ich sah gerade noch einen großen weißen Körper vor einem der drei hohen Wohnzimmerfenster, dann war er weg, und zurück blieb nichts als eine blutige Spur auf der Scheibe. Schon kam die nächste Möwe. Noch ein Dröhnen. Und die nächste. Erst beim siebten Versuch zersplitterte die Scheibe, und ein Schauer kleiner und großer Glasscherben regnete auf den Teppichboden.
    Die Möwen versuchten nicht, ins Zimmer zu kommen. Ihre Aufgabe beschränkte sich offenbar ausschließlich darauf, das Glas zu zerschlagen. Aber sie hörten nicht eher auf, als bis alle drei Fenster in Scherben auf dem Boden lagen und der Winterwind durch die blutigen, scharfkantigen Löcher pfiff.
    »Ihr habt eine Stunde, um mein Buch zu finden«, sagte Chimäras Stimme. »Dann kommen die Schwestern.«

19  DAS LEERE BUCH

    Chimära!«, sagte Tante Isa sehr laut. »Wie wichtig ist dir dieses Buch?«
    Es blieb still. Ich glaube, Chimära hatte nicht die Absicht, Nichts als Gegensprechanlage zu nutzen, sondern nur als Lautsprecher. Sie sollte reden, wir sollten gehorchen. Vermutlich hatte sie sich das eher so vorgestellt.
    »Wir wissen nicht, welches Buch du meinst«, fuhr Tante Isa fort und nahm irgendein Buch aus dem Regal. »Ist es vielleicht dieses hier?«
    Chimära gab noch immer keine Antwort, aber Nichts hatte sich steif aufgesetzt, vielleicht, damit Chimära sich ihre Augen leihen konnte, so wie die Rabenmütter die Augen der Raben. Tante Isa blätterte ein wenig in dem Buch.
    »Hmmm«,

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