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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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Durst eine tödliche Gefahr. Mit jeder Stunde, die vergeht, rauben die Nebel einem Stück für Stück die Lebenskraft, besonders dann, wenn man nicht weiß, wohin man unterwegs ist. Am Ende … legt man sich einfach hin und stirbt. Wenigstens hatten Shanaias Eltern einander. Sie legten sich hin, hielten sich in den Armen und starben gemeinsam.«
    »Dann hat sie … niemand umgebracht oder so?«
    »Nein.«
    »Ich dachte, vielleicht … dass Chimära …«
    »Nein«, sagte Tante Isa. »Nichts deutet darauf hin. Chimära kam erst später.«
    »Sie tauchte erst auf, als sie ihre Chance gekommen sah, Vestmark zu stehlen«, sagte Shanaia finster.
    »Wie hat sie das gemacht?«, fragte Oscar.
    »Nachdem Mama und Papa gestorben waren, kümmerte sich Tante Abbie um mich. Das heißt … eigentlich war sie nicht meine Tante, sondern die Tante meiner Mutter. Also war sie wohl so was wie eine Großtante oder so, aber ich nannte sie immer nur Tante Abbie. Sie war ziemlich alt und wunderlich, und viele meinten, sie sei nicht geeignet, für ein Kind zu sorgen, aber … ich liebte sie. Sie war meine Mutter, mein Vater und meine beste Freundin. Sie war nicht gerade die geborene Hausfrau, die Leute tuschelten, weil es hier so unordentlich und schmutzig war … aber wir waren ja fast den ganzen Tag draußen, und wir aßen das, was wir fanden, und machten ein Feuer im Garten oder am Strand, kochten Muscheln und so … Sie hat mir alles beigebracht. Alles über Vestmark. Und wenn wir abends nach Hause kamen, steckte sie mich immer in die Badewanne. Kann schon sein, dass das Haus dreckig war, aber ich nicht. Dann las sie mir vor, und wir zeichneten Bilder der Dinge, die wir tagsüber gesehen hatten und … und … und ich dachte, so würde es immer bleiben. Ich wusste natürlich, dass sie alt war, aber sie war stark wie ein Ochse und fast genauso gut zu Fuß wie ich. Verdammt, sie kletterte sogar auf Bäume. Wir saßen zusammen im Kirschbaum, aßen Kirschen und spuckten die Kerne aus und …« Shanaias Gesicht verzog sich. »Woher sollte ich wissen, dass sie sich eines Tages auf einen Stuhl setzen und sterben würde? Aber das hat sie getan. Ohne mich zu warnen, ohne ein Wort zu sagen, einfach so … bumm.« Sie starrte uns trotzig an. »Ich vermisse sie mehr als meine Eltern. Sie hat sich zehn Jahre um mich gekümmert. Niemals hätte sie Vestmark verkauft, ohne mit mir darüber zu sprechen. Sie hätte Vestmark überhaupt nicht verkauft.«
    »Aber … hat sie das denn getan?«, fragte ich.
    »Nein, das sag ich doch. Es war Betrug.«
    »Chimära hatte einen Kaufvertrag, der von Abigail unterschrieben war«, sagte Tante Isa. »Zumindest sah es so aus. Er trat mit ihrem Tod in Kraft, und es stand jede Menge darüber drin, wie ›die Ausbildung des Kindes und seine ökonomische Absicherung‹ garantiert werden sollte. Man konnte es so auffassen, als hätte Abigail nur daran gedacht, was das Beste für Shanaia war, wenn sie selbst nicht mehr für sie sorgen konnte.«
    »Aber Tante Abbie hätte nie gesagt, dass es das Beste für mich sei, Vestmark zu verlassen«, sagte Shanaia. »Sie hätte mich nie auf ein schwachsinniges, teures Internat geschickt. Wie konnte irgendjemand so was glauben?«
    »Die Rabenmütter glaubten es«, sagte Tante Isa. »Sie entschieden, dass der Vertrag gültig war, und Shanaia musste Vestmark verlassen und nach Egeholm gehen. Das ist ein teures Internat , das gewisse Hexenfamilien nutzen.«
    »Schrecklicher Ort«, sagte Shanaia. »Sie sperren einen von morgens bis abends in ein Klassenzimmer, und ich durfte Elfrida nicht mit in den Unterricht nehmen. Nach drei Wochen bin ich abgehauen …«
    »Und die Schule behielt das Geld …«, sagte Tante Isa. »Sie sagten, es sei nicht ihre Schuld, dass Shanaia ›nicht wünschte, unterrichtet zu werden‹.«
    »Dann hattest du keine Tante mehr, kein Zuhause und kein Geld«, sagte Oscar. »Das ist doch Wahnsinn.«
    »Ich hatte nur noch Elfrida«, sagte Shanaia, und ihre Augen sahen … erloschen aus. Jetzt war ihr nicht einmal mehr ihr Frettchen geblieben.
    Das Ganze war so traurig, dass es kaum zu ertragen war.
    »Wir müssen was tun«, sagte ich. »Wir können nicht nur hier rumsitzen und … das alles bedauern. Kommt man denn wirklich nicht an diesen Haifischvögeln vorbei?«
    »Ich hatte schon das Vergnügen, danke«, sagte Oscar und betastete vorsichtig eine seiner Bisswunden.
    »Aber …« Ich dachte an die Möwen und die Wildhunde. »… was, wenn sie mir nichts

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