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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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traurig an. Es war so unfassbar, so inakzeptabel, dass er nicht darauf reagieren konnte.
    „Sag etwas!“
    Jan suchte nach Worten.
    „Willst du wissen, wie ich darauf gekommen bin? Als Jenny vorm Grizzly weggerannt ist, im Bärental, da dachte ich mir, ich müsste Anna nur genug erschrecken und sie würde bei mir Schutz suchen. Aber Anna zu verängstigen, war nicht so einfach. Auf der Jagd mit Greg hatte ich plötzlich den Einfall. Wir mussten ein Zeichen setzen, dass der Mörder hinter ihr her war. Nicht nur ein Grizzly, sondern der Mörder selbst. Das mit den Eingeweiden war Greg. In der Nacht hat Greg alles gemacht, er hielt es für seine Idee, aber sie kam von mir ...“
    Jan erinnerte sich, wie Michael Greg nach der Jagd mit Lob überschüttet hatte. Daher war Michaels Euphorie gekommen! Er hatte neue Hoffnung geschöpft, Anna zu besitzen, und er war trunken gewesen von seiner Macht, Greg zu manipulieren.
    Wie anders sah Michael nun aus. Seine Haltung, sein Gesicht, seine Stimme, alles war von seiner Schuld durchdrungen. „Dass Greg über Anna in der Vorratskammer herfallen würde, das habe ich ihm nicht nahegelegt, und auch nicht, dass er in der Nacht danach ... Ich hätte es kommen sehen müssen.“ Mit jeder Sekunde sank er tiefer in sich zusammen. „Ich habe uns alle in dieses verfluchte Tal gebracht und dann habe ich mit meiner Gier nach Anna diese Teufel herbeigerufen.“
    Jan legte ihm beide Hände auf die Schultern. „Hör zu! In ein paar Tagen sind wir hier draußen und du kannst dich mit dem auseinandersetzen, was du getan hast. Du wirst sehen, es ist nicht so unverzeihlich, wie du denkst. Aber das ist jetzt egal, jetzt zählt nur eines: dass wir überleben!“
    Sie kehrten zu den Mädchen zurück und gingen gemeinsam einige Minuten den Bergrücken hinauf. Jenny gab das Kommando und sie rannten den Abhang schräg hinunter zur Schlucht. Die Mörder konnten sie nicht mehr stoppen – es sei denn, sie hatten ihren Plan durchschaut und lauerten hinter einem Felsen am Ufer.
    Jan rutschte auf dem Kies aus, fing seinen Sturz mit den Händen ab, sah Blut, spürte nichts und bemühte sich, die Anderen einzuholen. Bald lag er gleichauf mit Michael, der das Gewehr trug und einige Schritte hinter Jenny blieb.
    Weiter unten erreichte Anna eine Gerölllawine, kletterte auf einen Felsblock, winkte mit ausgreifenden Bewegungen und verschwand auf der anderen Seite. Sie fanden sich wieder und rannten gemeinsam weiter.
    Die Berge drängten näher ans Wasser, engten mit ihren steilen Wänden den Strom ein. Doch der hatte sich zäh einen Weg erkämpft. Sie liefen daneben einher und wünschten sich, ebenso unaufhaltsam zu sein.
    Einige hundert Meter weiter wölbte sich die Wand bis über den Fluss. Sie gingen darauf zu, doch ihre Schritte wurden langsamer. Das war das Ende.
    Anna gelangte an die Stelle, an der das Wasser an den Fels stieß. „Nein!“, schrie Jan, doch Anna hielt nicht an, ging einfach weiter, mitsamt Kleidung und Schuhen ins Wasser. Ihm wurde schwarz vor Augen. Als er wieder zu sich kam, war Anna verschwunden. Nur Fels und Wasser. Fels und Wasser.
    „Willst du dich hinsetzen?“, fragte Michael, der ihn stützte.
    „Was hat sie –“
    „Sie ist um den Fels gegan –“
    „Kommt nach!“ Annas Stimme kämpfte gegen das Rauschen an. „Aber seid vorsichtig, das Wasser zieht an den Beinen.“
    Michael blickte besorgt. „Sollen wir eine Pause machen?“
    „Nicht nötig, ich bin schon wieder über den Schwächeanfall hinweg. Ich dachte ...“
    Michael nickte finster, dann inspizierte er den Einstieg. „Die Strömung ist verdammt stark. Wieso ist Anna da einfach hineingewatet? Das ist nicht der Moment für sinnlose Opfer!“ Er nahm ein Seil aus seinem Rucksack. „Jenny, du hältst uns den Rücken frei. Jan sichert mich. Wenn ich rufe, kommt Jenny. Jan, du bist der Letzte, du behältst das Gewehr. Solltest du fallen, können wir dich zu dritt rausziehen.“
    Er band sich das Seil um den Körper und stieg ins Wasser, während Jan sich mit dem Rücken an eine Rille im Felsen drückte und hoffte, dass sie ihm notfalls ausreichend Widerstand böte, um Michael zu halten. Meter um Meter gab er das Seil aus.
    „Das reicht!“, brüllte Michael nach kaum einer Minute, und sodann: „Jenny!“
    Sie lehnte das Gewehr neben Jan an die Wand und band sich eine Schlinge ins Seil. Gut die Hälfte schien übrig zu bleiben – es würde auch für ihn reichen, stellte Jan erleichtert fest. Daran, dass das Seil

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