Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
kletterte auf die Bar und gab Flaschen aus. Die Barkeeper flüchteten durch einen Vorhang. Ein weiterer Spiegel splitterte.
Da richteten sich die bunten Scheinwerfer auf die Tür an der Rückseite. Sie schwang auf und der Hüne betrat den Laufsteg, gefolgt von einer blonden Slawin, die mit verängstigtem Blick versuchte, die brodelnde Menge hinter dem Scheinwerferlicht zu erfassen. Der Hüne hob sie auf die Schultern, stieg hinab ins Gewoge und trug sie zum Podium. Sie warf sich sogleich an die Stange, um den greifenden Händen zu entgehen, die bereits Fetzen aus dem Négligé gerissen hatten. Der Hüne sprang ihr nach, schritt das Podium bedrohlich ab und blieb am Rand stehen.
Der Alte hatte die Stripperin geschickt, um seinen Club zu retten. Anna war ihm gleichgültig. Dennoch dankte ihm Jan innerlich für dieses Ablenkungsmanöver. Hoffentlich würde die Show lange genug dauern, damit die Eingreiftruppe sie herausholen konnte. Aber nicht gleich, denn die Szene faszinierte Jan: Diese Frau, die sich Nacht um Nacht darbot und plötzlich fürchtete. Die Menge im Rausch einer unverhohlenen Gier, die Jan stets schamhaft verdrängt hatte. Die verwundete Gazelle umringt von Löwen.
Die Slawin streckte die Arme an der Stange hinauf. Ihr Haar fiel tief über die Schulterblätter. Langsam drehte sie sich im Kreis, fuhr mit der Zungenspitze über die vollen Lippen und fesselte die Menge mit lüsternen Blicken. Sie war eine gute Stripperin, dachte Jan. Ihre hohe Gestalt, die stolzen, klaren Gesichtszüge, die geschwungenen Augenbrauen, die unbändige Haarpracht – man wollte, dass sie sich erniedrigte.
Die Scheinwerfer verblassten, der Elektro-Beat und das Stroboskop beschleunigten. Aus den lasziven Bewegungen der Stripperin wurde ein hartes Stakkato, immer schneller wand sie sich an der Stange. Dabei ließ sie ihr Négligé höher wandern: über den Slip, der den prallen Po nur als Netz bedeckte, über die schmale Taille und den gepiercten Bauchnabel, über das schwarze Tuch, das sie mehrfach um die Brust geschlungen trug. Mit einem Ruck zog sie sich das Négligé über den Kopf und schleuderte es hinter sich. Sie löste ein Ende des Tuchs und schlang es um die Stange, verschränkte die Hände hinter dem Nacken und drehte sich, einmal, zweimal, dreimal, bis ihr weißer Busen im Gewitterlicht des Stroboskops aufleuchtete.
Sie tanzte eine Runde, packte die Stange, fuhr mit einem Bein senkrecht daran hinauf und ließ sich nach hinten sinken, bis sie kopfüber hing. Kreisend sank sie zu Boden, rollte sich in Zeitlupe ab, kam im Spagat zu sitzen und bog den Oberkörper zurück. Mit einer Hand glitt sie unter den Slip und begann, sich zu massieren.
Jan kam zu sich, schloss den Mund und schaute zur Seite. Der Agent neben ihm ließ den Blick über die Menge wandern, er schien einen bestimmten Sektor zu überwachen. Ralph telefonierte. Von Anna sah Jan nur einen Streifen ihres roten Kleides. Er hatte sie ganz vergessen und auch die Gefahr, die wuchs, je näher die Show-Einlage ihrem Ende kam. Was würde danach geschehen? Anna durfte da nicht hinauf! Doch die Menge würde sie um keinen Preis ziehen lassen.
Anfeuernde Schreie. Er blickte auf. Die nun völlig nackte Stripperin kniete mit gespreizten Schenkeln und rieb das Becken über das gestraffte Tuch. Die Männer glotzten, filmten und wedelten mit Dollarscheinen.
Sie warf das Tuch hinter sich und umrundete auf allen Vieren das Podium, ließ sich auf den Po klatschen, sammelte Scheine ein. Gleich würde die Meute Anna fordern. War es überhaupt möglich, den Club zu evakuieren, ohne dass sich die Besucher gegenseitig tottrampelten? Der Alte am Eingang hatte zwar einen Notausgang erwähnt, doch der war nirgends ausgeschildert. All die Spiegel, Säulen, Einbuchtungen, das flimmernde Halbdunkel: Es war unmöglich zu sagen, wie viele Männer sich in dem fensterlosen Raum befanden. Mindestens zweihundert. Wenn sich alle die Treppe hinauf durch den schmalen Gang zwängten, würde die Hölle losbrechen.
Als die Stripperin an ihnen vorbeikrabbelte, lockte Ralph sie mit einem Schein zu sich und rief ihr etwas ins Ohr. Sie schaute ungläubig. Er streckte ihr ein Bündel Banknoten entgegen. Mit zusammengebissenen Zähnen nahm sie das Geld, ließ es über ihren Daumen rauschen und stand auf. Sie drückte dem Hünen das Bündel in die Hand und er steckte es in eine Innentasche seiner ärmellosen Lederweste. Dann setzte er sie sich auf die Schulter und stieg vom Podium. Die Menge begriff,
Weitere Kostenlose Bücher