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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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abgesehen.
    Auch ein entenschnabeliger Thomas Müller mit Baseball-Cap gehört den Holzhackern an. Auf der Firmenwebsite der hill & valley GmbH wird er als Diplom-Betriebswirt geführt, zuständig für ›international management & foreign sales‹, was ich mir als eine Art Import-Export zusammenreime. Vor meinem inneren Auge ist dieser Begriff untrennbar mit heruntergekommenen Ladenlokalen verknüpft, in denen Klorollen-Barbies in orientalischen Hochzeitskleidern, Springmesser und Micro-Musikanlagen feilgeboten werden, was mit Holzhandel herzlich wenig zu tun hat, aber meine Kenntnisse dieses Gewerbes sind nun wirklich nicht besonders ausgeprägt. Mehr erfahre ich nicht über meine Zielperson, was allerdings nicht etwa an einem Mangel an Informationen liegt, sondern am genauen Gegenteil: Im Internet existieren schätzungsweise 36 Millionen Thomas Müllers.
    Okay, entscheide ich, machen wir mit Ernst Kemper weiter, ebenfalls Kegelklubmitglied. Er ist tatsächlich Personalchef, wie die Kaulquappe sagte. Irgendwo in den Tiefen des Netzes stoße ich auf ein Foto, das ihn zeigen könnte, bin mir aber nicht sicher. Das Bild ist unscharf, und die Person, die ihm ähnlich sieht, steht zu weit weg. Hinzu kommt, dass ein Schwarm riesiger blauer Falter die Sicht nimmt. Ich stoße einen tiefen Seufzer aus. Selbst wenn die Person Kemper wäre, was würde es mir nützen? Tatsächlich scheinen alle drei Herren geradezu auffällig unbeschriebene Blätter in der großen, sonst so geschwätzigen Welt des World Wide Web zu sein.
    Was, wenn die Kaulquappe tatsächlich recht behielte, wenn sich Waskovic einfach nur unfein auszudrücken pflegte? Vielleicht gehört ein gewisser Holzhändler-Jargon zur Firmenkultur: ›Meyer, wenn die Akte nicht bis elf Uhr auf meinem Tisch liegt, werden Sie eliminiert. – Klimmek, wenn ich Sie noch ein Mal rauchend auf dem Herrenklo erwische, können Sie Ihre Kippe demnächst mit den Füßen festhalten. – Frau Schröder, noch einmal zu spät am Arbeitsplatz und Ernie hilft Ihnen ein bisschen beim Frischmachen – sagt Ihnen der Begriff »Eistauchen« etwas?‹
    Ich schnappe mir mein Smartphone und höre mir erneut jene entscheidenden Sätze an, die im Hotelzimmer gefallen sind. Danach lausche ich ihnen nochmals. Und nochmals. Und wieder komme ich zu dem eindeutigen Schluss: Ich habe richtig gehört, Waskovic hat genau das gemeint, was er gesagt hat. Und umgekehrt.
    Er hat den Befehl zum Töten gegeben, da beißt die Maus keinen Faden ab.

    Es ist fast ein Uhr, als ich den Rechner runterfahre und mich in den Besuchersessel fallen lasse, den ich sonst gern für ein kurzes Powernapping um die Mittagszeit nutze.
    Selbst wenn Waskovic nichts von meiner Existenz weiß, überlege ich, wenn ich von diesem Moment an still und stumm in meinem Sessel hocken bleibe und nie wieder den Mund öffne, ich muss immer damit rechnen, dass er irgendwann von meinem Auftrag erfährt. Zumal nicht klar ist, welche Rolle die Kaulquappe eigentlich spielt. Womöglich kommt es irgendwann zwischen den beiden zum offenen Streit wegen seiner Liebschaften, ein Wort gibt das andere, und schon bin ich im Spiel. Wenn ich nichts unternehme, kann ich mich nie wieder völlig sicher fühlen, mein Leben wäre nicht mehr das alte.
    Also doch lieber zur Polizeiwache rüberfahren und die Karten auf den Tisch legen? Darauf hoffen, dass sie genug in der Hand haben, um Waskovic festzunageln, bevor er Unheil stiftet? Womöglich steht er längst auf irgendeiner schwarzen Liste.
    Aber selbst wenn sie ihn festnageln könnten – wovon realistisch gesehen nicht auszugehen ist –, ein Mann wie er hat sicher noch mehr helfende Hände fürs Grobe in petto. Neben Salatohr-Ernie wird es den ein oder anderen Knollnasen-Grobi geben, der irgendwo im Hinterhalt lauert. Ich befände mich nach wie vor in akuter Gefahr. Und nicht nur ich.
    Die Alternative heißt Zeugenschutzprogramm, was ähnlich verlockend klingt wie Alcatraz.
    Mutter, Vater, Kind nach Hintertupfingen verbannen? Mein Mann wird mich umbringen. Aber besser Markus versucht es als Waskovic, denke ich. Ich werde ihm den sauren Wein einschenken und er wird ihn schlucken müssen, samt Kröte sozusagen. Oder vielmehr samt Kaulquappe. Ob er will oder nicht.
    Nach einem weiteren Bier steht fest: Wir müssen reden. Und zur Polizei gehen. In genau dieser Reihenfolge – und zwar bald. Auch auf die Gefahr hin, dass ein Richter Bernhard mir den Kopf abreißt und dass es meine ohnehin zweifelhafte Karriere

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