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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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für einen Bahnhof! Einen, von dem man möglichst schnell möglichst weit weg kommt. Mein Ziel ist der gut zehn Kilometer entfernte Bahnhof Herchen, der außerhalb der eigentlichen Ortschaft liegt und viel von Pendlern genutzt wird. Während der Fahrt schalte ich den Lokalsender ein, um zu erfahren, ob die Medien schon über die Angelegenheit berichten. Doch bei Radio Bonn/Rhein-Sieg geht es mal wieder um das geheimnisvolle Geräusch, das die geneigte Hörerschaft erraten soll.
    »Yvonne, du weißt, der Jackpot steht bei 26.660 Euro. 26.660 Euro! Damit lässt sich etwas anfangen, nicht wahr? Und diese 26.660 Euro gehören dir, wenn du uns sagen kannst, was du gleich hörst. Achtung, hier kommt das geheimnisvolle Geräusch!«
    Es ploppt irgendwie.
    »Nun, Yvonne? Was meinst du? Kannst du uns sagen, was das ist?«
    »Ein Ei?«, antwortet Yvonne ängstlich. »Ich meine ein Ei, das aufgeschlagen wird?«
    Leider war’s kein Ei, und meine Nerven halten weiteren Rateversuchen momentan nicht Stand, weshalb ich die Fahrt ohne akustische Untermalung fortsetze. In Herchen angekommen, steuere ich den großen Parkplatz neben dem Bahnhofsgebäude an, fahre ganz durch, am Umspannwerk vorbei, auf die dahinter befindliche Freifläche, die nur von den Gleisen her einsehbar ist.
    Ich halte an, steige aus, gehe zu Fuß zurück zu der Telefonzelle auf der anderen Seite des mächtigen Backsteinbaus.
    Schon nach dem zweiten Klingeln geht Markus ran. Er klingt außer Atem.
    »Hallo! Ich bin’s.«
    »Aha, Frau Schiller ist eingefallen, dass sie ja noch Familie hat!«
    »Es tut mir leid, Markus.« Unwillkürlich schießen mir Tränen in die Augen.
    »Es tut dir leid!« Er schnaubt verächtlich.
    »Ich stecke ziemlich in der Klemme.«
    »Das haben wir gemerkt. Und darüber hast du uns anscheinend vergessen.«
    »Nein, das habe ich nicht!«
    »Wolltest du uns nicht vom Bahnhof abholen?«
    »Es ist etwas dazwischengekommen, ich …«
    »Ja, allerdings ist dir was dazwischengekommen! Du musstest ja erst unsere Bude abfackeln lassen!«
    »Hey, du glaubst doch nicht etwa …«
    »Ich kann’s einfach nicht fassen, Johanna!«, fällt er mir ins Wort, und dass er mich Johanna nennt, lässt nichts Gutes ahnen.
    »Lass mich versuchen, die Sache zu erklären!«, flehe ich, obwohl ich nicht den geringsten Schimmer habe, wie ich das Geschehene auch nur halbwegs nachvollziehbar schildern soll. »Es war diese letzte Observationsgeschichte, ich …«
    »Dass du mein Vertrauen derart ausnutzt! Und dann hast du auch noch die Frechheit, zu behaupten, du müsstest bis tief in die Nacht arbeiten!«
    Langsam komme ich nicht mehr mit. »Wovon redest du?«
    »Wovon ich rede? Tu doch nicht so! Erst dachte ich, du wärst überfallen worden, jemand hätte dir etwas angetan und den Brand absichtlich gelegt. Verdammt, ich war fast irre vor Sorge!« Markus holt tief Luft. »Bis ich die Gläser entdeckt habe. Und die Bilder.«
    Bilder? »Welche Bilder?«
    »Die Fotos im Briefkasten.«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Was waren das für Bilder?«
    »Was waren das für Bilder!«, äfft er mich nach. »Fotos von dir und diesem Scheißtypen waren das! Verfluchte Hacke, Johanna! Kaum drehe ich dir den Rücken zu, steigst du mit dem nächstbesten Kerl in die Kiste!«
    Langsam dämmert es mir. »Es gibt keinen nächstbesten Kerl, Markus«, erkläre ich ruhig.
    »Ach nein? Vielleicht keinen nächstbesten, dafür endlich mal einen, mit dem du die große Kohle machen kannst«, meint Markus sarkastisch. »Dumm nur, dass seine Frau damit nicht einverstanden ist. Und dass die entschieden mehr Temperament hat als ich!«
    »Welche Frau?«
    » Seine Frau, die von deinem Stecher! Die, die euch Feuer unterm Hintern gemacht hat.«
    »Wer ist das?«, frage ich irritiert. »Hast du sie gesehen?«
    »Gesehen? Nein, ich habe sie nicht gesehen. Aber sie hat ja wohl ein deutliches Zeichen gesetzt. Und weißt du was? Ich bin ihr dankbar dafür. Dankbar, dass sie mich aufgeklärt hat, dass ich es schwarz auf weiß habe, was du für ein Mensch bist!«
    »Du hast überhaupt nichts schwarz auf weiß, nichts jedenfalls, was irgendwie Bestand hätte. Ich …«
    »Hör auf! Ich kann den Mist nicht mehr hören!«
    »Aber es gibt keinen anderen Mann. Ich schwör’s!«
    »Deine Schwüre kannst du dir sonst wohin stecken!«
    »Bilder können täuschen, man kann sie fälschen!«, stammele ich. »Das weißt du doch!«
    Stille.
    »Bitte, Markus! Ich lüge nicht!«
    »Es wäre nicht das erste Mal«,

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