Wildwasserpolka
abgemurkst haben? Oder mich der Bullerei ans Messer geliefert haben, wo es angeblich so einfach für Sie wäre? Warum der Zirkus, Waskovic?«
»Was für ernste Themen am frühen Morgen, Schätzchen!«
»Ich habe die schlimmsten Stunden meines Lebens hinter mir, da vergisst man schon mal die Etikette«, sage ich und stoße die Wagentür auf, um frische Luft hereinzulassen. »Also?«
»Denk dran, die Spielregeln bestimme immer noch ich, Engelchen! Aber die Sache ist einfach: Dein Tod würde keinen guten Eindruck machen, lebendig bist du viel nützlicher. Müller ist verschwunden, ebenso ein beträchtlicher Batzen Geld. Du solltest Müller auf die Finger gucken, hast dich stattdessen mit ihm zusammengetan. Ihr habt das Geld eingesteckt und euch gemeinsam aus dem Staub gemacht. Nun – die Geschichte ist doch hübsch!«
Und sie ist ziemlich identisch mit der, die ich mir letzte Nacht ausgemalt habe, denke ich.
»Außerdem bleibt sie spannend«, fährt Waskovic fort. »Vielleicht kommt irgendwann heraus, dass ihr euch doch nicht wirklich grün wart. Vielleicht hatte sich euer Techtelmechtel bereits erledigt, bevor du untergetaucht bist, und zwar drastisch erledigt: Du hast Müller umgebracht, um die Kohle für dich allein zu haben.«
»Aha. Und diesen Mist soll jemand glauben?«
»Glauben? Hier geht es nicht um Glaubensfragen, Liebchen, hier bist du selbst deines Glückes Schmied. Es kommt ausschließlich darauf an, was du draus machst. Wenn du verschwindest – bitte schön, als Schnüfflerin kennst du sicher nützliche Tricks, um abzutauchen. Wenn ihr beide verschollen bleibt – bestens, dann muss es wohl Liebe gewesen sein und es ist davon auszugehen, dass ihr Turteltäubchen beschlossen habt, euch mit eurem Geld auf eine sonnige Insel abzusetzen.«
»Wie romantisch! Und meine Familie habe ich einfach sitzen lassen, oder wie?«
»Das wäre schließlich nicht das erste Mal«, kontert Waskovic prompt. »Schon vergessen, Supermami?«
Mir bleibt die Luft weg. Genauso gut hätte er mir in den Bauch boxen können. Woher weiß dieser Scheißkerl so verdammt gut Bescheid über mich?
»Es … es war eine Krise«, stottere ich. »Ich war … Ich hatte …« Mir fehlen die Worte. Moment! Vor diesem Schwein brauche ich mich bestimmt nicht zu rechtfertigen. »Die Sache geht Sie einen Dreck an!«
»Du hast damit angefangen!«, meint Waskovic ungerührt.
»Woher haben Sie diesen ganzen Mist?«, frage ich gegen meinen Willen, unfähig, mich von dem Thema zu lösen.
»Ein alter Trick der Personaler«, gibt sich Waskovic auskunftsfreudig. »Anruf beim ehemaligen Arbeitgeber genügt. Und stell dir vor, ich hatte die alte Frau Stegemeier gleich selbst am Apparat! Ich würde dich gern einstellen, habe ich ihr gesagt, aber da du in den letzten Jahren selbstständig warst, hätte ich leider kein Gefühl dafür, wie du dich im Angestelltenverhältnis machst. Mir seien gewisse Dinge zu Ohren gekommen, die, nun ja, eher gegen eine Anstellung sprächen, mit der Gerüchteküche sei das allerdings so eine Sache. Und siehe da! Frau Stegemeier entpuppt sich als eine richtige Klatschtante. Sie ist dir gut gewogen und freut sich, dass die kleine Familie wieder zusammengefunden hat, und sie würde dich jederzeit wieder einstellen. Rührend, nicht wahr? Doch wo waren wir? Richtig, bei deinem Freund Müller. Wie gesagt, wenn ihr beide nie mehr auftaucht: gut. Wenn jemand ihn morgen irgendwo im Straßengraben findet, war die Liebe offensichtlich doch nicht so groß. Dann wird die Polizei Jagd auf dich machen. Und ob sie dich schnappt oder nicht: Sie wird mehr als genug Beweise dafür finden, dass du deinen Compagnon aus dem Weg geräumt hast!«
»Ach ja? Welche denn? Einen gefakten Dienstleistungsvertrag?«
»Glaub mir einfach, Liebchen«, meint Waskovic gelassen. »Und denke daran: Wenn du einen auf Superwoman machst, fackeln wir nicht lang und du kannst gleich ein Doppelgrab ausheben, verstanden? Du weißt ja: ›Unsterblich allein ist der Tod‹.«
»Jetzt werden Sie mal nicht sentimental, Waskovic! Das ist peinlich vor den Jungs von der Polizei, die hören nämlich gerade mit.«
»Was du nicht sagst!«, meint Waskovic mit gespieltem Schrecken. »Ich glaube kaum, dass die Polizei dich auf einen Acker in Windeck zum Verhör einbestellt.«
»Ich befinde mich nicht auf einem Acker in Windeck.«
»Ach nein? Willst du mir erzählen, du hättest im Pariser Ritz eingecheckt?« Er lacht lauthals auf. »Wusstest du eigentlich, dass die
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