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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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erklärt er eisig.
    Nein, das wäre es nicht. Wahrheit, Klarheit, Fairness, ha, ha! Wer einmal lügt … Ich überlege krampfhaft, was ich sagen, wie ich mich erklären soll, doch es will mir nichts einfallen. Wie auch? Wenn man sich aus dem Staub machen muss, weil jemand einem einen Mord andichten will, und der eigene Mann aber davon ausgeht, man habe ihn wegen einer anderen Liebschaft verlassen – eine Annahme, zu der er durchaus Berechtigung hat, weil es nicht das erste Mal wäre –, dann fallen die Worte schwer.
    »Nachher kommt ein Typ von der Versicherung«, durchkreuzt Markus mein Schweigen, das er ohne Zweifel missversteht. »Ich wollte nicht, dass deine Eskapaden die Runde machen. Sag deinem Kerl also, er soll sich neue Schuhe kaufen. Seine habe ich in den Müll gehauen, und die Tonne haben sie eben abgeholt.
    »Du hast was?!«
    »Ich habe nach der Party aufgeräumt, kapiert? Alles weggeworfen: deine beschissene Gläsersammlung, die Schampusflasche, den Schuh, den er im Eifer des Gefechts verloren hat. Wenn ich nur daran denke, dass er …« Markus spricht den Satz nicht zu Ende. Die folgende Stille ist schlimmer auszuhalten als seine Wut.
    »Es war so … Als wir nach Hause kamen …« Alle Bitterkeit ist aus seiner Stimme gewichen, er klingt nur noch verzweifelt. »Ich habe sogar nachgesehen, ob er nicht noch irgendwo im Kleiderschrank steckt. Kannst du dir das vorstellen, Johanna?«
    Nein, Markus. Ich könnte vielleicht. Aber ich will nicht.
    »Wie heißt noch gleich dieser Typ von der Polizei?«, fragt er plötzlich aufgekratzt. »Der, der dich im Einkaufswagen nach Hause gefahren hat, weil du nicht mehr laufen konntest?«
    »Geringer, Peter Geringer«, antworte ich kleinlaut. »Aber für Bettartistik ist der momentan kaum zu gebrauchen, der hat einen Bandscheibenvorfall«, versuche ich zu scherzen. Mein Gott, wie kann ich in dieser Situation auch noch blöde Witze machen? »So hör doch, du musst mir vertrauen! Es war nicht so, wie du denkst, und auch wenn es noch härter kommt, ich …«
    »Noch härter?«, brüllt er. »Wie hart soll es denn noch kommen? Bist du jetzt völlig durchgeknallt, oder was?«
    »Das sind ein bisschen viele Fragen auf einmal«, sage ich matt.
    »Ja, genau, das sind ein paar Fragen zu viel! Du hast den Bogen endgültig überspannt, Johanna, du hast alles kaputt gemacht! Immer machst du alles kaputt, du bescheuerte Kuh!«

    Man kann nicht behaupten, dass unser Telefonat zielführend gewesen wäre. Ich habe Markus gegen mich aufgebracht, statt ihn zu beruhigen, und ich weiß nicht, wie es meinem Kind geht. Unserem Kind. Was mag Yannick wohl denken? Der Brand muss ein Schock für ihn gewesen sein, und dann ist die Mama plötzlich nicht mehr da … Vor Schmerz und Sehnsucht beiße ich mir in die Hand.

    Positiv denken, befehle ich mir. Welche Informationen habe ich aus dem Gespräch gewonnen? Gar keine, zum Teufel! Ich will mich nur noch irgendwo verkriechen und heulen, mich gehen lassen, vor Selbstmitleid zerfließen – für diesen Luxus fehlt mir allerdings die Zeit.
    Also, noch einmal: Was weiß ich alles? Punkt eins: Markus glaubt, ich habe ihn betrogen und bin womöglich mit jemandem durchgebrannt. Den Brandanschlag wertet er als Racheakt einer eifersüchtigen Ehefrau. Das ist traurig, sehr traurig. Aber so traurig nun auch wieder nicht, denn wenn die Wahrheit irgendwann auf den Tisch kommt, wird er seinen Irrtum einsehen und mir verzeihen. Vorausgesetzt, sie kommt irgendwann auf den Tisch. Doch daran kann ich arbeiten.
    Punkt zwei: Er hat nichts davon gesagt, dass die Polizei im Spiel ist, dass sie mich als Tatverdächtige betrachtet, für welche Straftat auch immer. Wenn dies der Fall wäre, hätte er sicher nicht versäumt, es mir unter die Nase zu reiben. Das heißt, sofern er davon wüsste. Wenn sich die Polizei allerdings bereits für mich interessieren würde, hätte sie ihm sicher einige unangenehme Fragen gestellt. Und die hätte er mir in seinem Hass garantiert nicht verschwiegen.
    Woraus sich Punkt drei ergibt: Momentan scheint niemand in ernsthafter Sorge um mich zu sein. Niemand zerbricht sich den Kopf darüber, wo ich stecke, was ich in meiner derzeitigen Lage als positiv zu bewerten ist. Noch kann ich mich frei bewegen.
    Punkt vier betrifft den Schuh, den ich unter meinem Schreibtisch gefunden habe. Ich hatte ihn in der Hand, um ihn mitzunehmen, muss ihn aber in der Eile verloren haben – und Markus hat ihn gefunden; Thomas Müllers Schuh. Mein Magen

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