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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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ungeplanten Ad-hoc-Einsatz. Ich präge mir das Nummernschild ein.
    Sofern sie mich erkannt hat und allein unterwegs ist, wird sie hinter der nächsten Ecke halten. Falls sie nicht allein ist, wird sie mich ziehen lassen, damit mich ihr Nachfolger übernehmen kann. Dann sollte ich sehr schnell in Erfahrung bringen, wer dieser Nachfolger ist. Und mich tunlichst aus dem Staub machen.
    Ich biege in die nächste Seitenstraße ein, laufe in Richtung Sieg und erreiche bald die Uferpromenade.
    Der Weg, das Gras, die dunkel glänzenden Baumstämme: alles nass vom Regen; es riecht nach Fluss und Erde. Dicke Tropfen perlen von dem jungen Blattgrün, das heute seltsam melancholisch wirkt, als habe es sich vergeblich hervorbemüht. Die Wipfel der Bäume spiegeln sich als Zerrbilder im Wasser, ein Ast treibt vorbei und dreht sich langsam in der Strömung. Alles erscheint schlaftrunken – der Fluss, das Dorf, ich selbst. Als würde ich durch Watte gehen. Als würde ich träumen. Nur das Jucken meiner Kopfhaut unter der Mütze ist zweifellos real. Ich kratze mich heftig hinterm Ohr, betaste instinktiv die Beule am Hinterkopf, die nach wie vor schmerzt, aber deutlich flacher geworden ist – die eigenartige Schwellung am Genickansatz ist hingegen geblieben. Von ihr geht ein brennender, pulsierender Schmerz aus, der auf eine Entzündung hindeutet. Auch mein Knie macht sich wieder bemerkbar, sodass ich das Bein nicht richtig belasten kann.
    Eigentlich müsste ich einen Arzt aufsuchen.
    Eigentlich.

    Ich folge der Sieg ein Stück stromaufwärts, passiere eine mächtige, ummauerte Buche, die noch kahl ist. Den Graureiher bemerke ich erst, als er sich nahezu lautlos vor mir in die Lüfte erhebt, seine mächtigen Schwingen gleiten wie in Zeitlupe auf und ab.
    Obwohl ich das Gelände sorgfältig sondiere, kann ich niemanden entdecken. Ich gehe weiter am Fluss entlang, die Stimmung ändert sich. Das Gefälle scheint hier stark zu sein: über den flachen, steinigen Grund tanzen Stromschnellen. Vielleicht war es das tanzende Wasser, das den Komponisten Engelbert Humperdinck einst inspirierte, der hiesigen Bürgermeistertochter ausgerechnet eine Polka zu widmen, kommt es mir in den Sinn – ein äußerst relevanter Gedanke in Anbetracht der Gefahr, in der ich mich momentan befinde. Typisch für mich. Was jedoch nicht zwangsläufig heißt, dass es mir an Konzentration mangelt.
    Ich verlasse die Uferpromenade und laufe über eine große Freifläche neben dem Sportplatz. Einige Fahrzeuge parken hier, ein Lkw-Anhänger. An diesem Ort könnte ich eventuell einen Wagen auftun, muss dafür jedoch zunächst wissen, ob mir jemand folgt. Oder vielmehr, dass mir keiner folgt. Bei jedem Schritt habe ich die Umgebung im Blick, achte auf kleinste Zeichen. Am Zaun hebt sich ein Fetzen Plastik müde im Wind, irgendwo schlägt ein Hund an. Weit entfernt auf dem Sportplatz, im hinteren Fußballtor, steht etwas, das auf den ersten Blick aussieht wie eine Kuh. Es ist keine Kuh, auch kein Mensch, nur irgendeine Gerätschaft.
    Ob Vanessa mich tatsächlich nicht erkannt hat, ob es purer Zufall war, dass sie in dem Mini an mir vorbeigefahren ist?
    Aus der Grundschule hinter dem Sportplatz dringen gedämpfte Kinderstimmen, sittsam, in Schach gehalten – es ist keine Pausenzeit. Ich passiere das Schulgelände und habe bald wieder die Hauptstraße erreicht, werfe einen Blick nach links, dann nach rechts. Keine 15 Meter entfernt, unmittelbar vor einer Bushaltestelle, steht der Mini. Im Wagen sitzt niemand.
    Sie hat mich also erkannt, bin ich mir nun sicher. Das Brennpunktplaymate hat mich erkannt – womit meine tröstlichsten Vermutungen hinfällig sind.
    Sie sucht mich. Und sie ist vermutlich allein.
    Ich werfe einen Blick zurück, sehe lediglich eine alte Dame mit einem Rollator. Im Haus gegenüber verschwindet gerade eine Frau mit einem Promenadenmischling.
    Ich schlage die Richtung zurück ins Dorf ein, was mir als die beste Strategie erscheint, ich muss mich nur vorsehen, dass ich Vanessa nicht direkt in die Arme laufe. Bald erreiche ich einen winzigen Dorfplatz und wechsle die Straßenseite, um über eine steile Treppe zu der hügelaufwärts gelegenen Kirche zu gelangen.
    In einiger Entfernung, auf Höhe der Bäckerei, hält gerade ein Postauto. Der Briefträger steigt aus, verschwindet in einem Hauseingang, steigt wieder in seinen Wagen. Er fährt weiter, hält an; die Prozedur wiederholt sich. Mir kommt eine Idee; ich nehme doch nicht die Treppe, sondern gehe

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