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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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bereits gecheckt habe, denn das würde nur unnötige Fragen aufwerfen. Außerdem soll Herbert völlig unbedarft an die Sache rangehen, denn offenbar habe ich irgendetwas Gravierendes übersehen. »Außerdem musst du einen Wagen überprüfen.«
    »Ich höre.«
    Ich nenne ihm das Kennzeichen des Minis, mit dem sie mich heute verfolgt hat.
    »Alles klar«, meint Herbert, der nicht viel von Höflichkeitsfloskeln hält, und will auflegen.
    »Halt!«, schreie ich.
    »Noch was?«
    »Ruf mich nicht auf meinem Diensthandy an, okay? Irgendwas ist nicht in Ordnung mit dem Ding, ich glaube, ich muss es einschicken.«
    »Ist gut.«
    »Ruf auf gar keinen Fall auf dem Handy an!«
    »Das sagtest du gerade.«
    Richtig. Doch leider gehen bei Herbert Infos, die er für unwesentlich hält, zum einen Ohr rein und zum anderen hinaus, und zwar vollkommen ungefiltert. Ich möchte aber nicht, dass Herberts Nummer auf dem Display meines Handys aufleuchtet, während Waskovic gerade meine Anruferliste checkt. Und Herbert womöglich umgehend Besuch von einem Mitglied der Sesamstraßen-Gang erhält.
    »Nicht mein Handy, hörst du? Nimm die Notfallnummer.«
    »Die Notfallnummer?«, wiederholt Herbert ungläubig. Bisher war die Not selten groß genug, dass ich das Ding gebraucht hätte.
    »Es geht nicht anders«, behaupte ich leichthin. »Ich bin unterwegs und momentan nicht anders zu erreichen. Und, Herbert …«
    »Was noch?«
    »Nichts weiter. Aber lupf die Decke ruhig ordentlich hoch, okay? Ich muss wissen, was mit der Lady ist.«
    »Man tut, was man kann. Aber vielleicht nicht sofort.«
    »Schon klar, Herbert. Und schlaf gut.«
    »Schlafen kann ich, wenn ich tot bin«, beendet er unser Gespräch mit einem seiner Standardsprüche.

    Und ich bin tot, wenn ich nicht bald schlafe. Für diese Art von Dauerstress, wie ich ihn gerade erlebe, bin ich nicht geschaffen.
    Hatte ich mir nicht einmal ein aufregendes Leben erhofft, mit jeder Menge Action und Abenteuer? Jetzt habe ich mehr als genug davon und beschwere mich! Aber leider ist mein Name nicht Emma Peel. Ich bin lediglich eine Privatdetektivin mit zweifelhaftem Ruf, eine, die anderen unter die Bettdecke schielt. Eine, die stunden- und tagelang im Auto herumlungert und in meditativer Versenkung auf Haustüren glotzt. So eine bin ich. Scheiß auf das, was in meinen Werbeanzeigen steht!

    Ein weiteres Mal wähle ich unsere Festnetznummer, doch Markus geht nach wie vor nicht ran. Der Anrufbeantworter ist nicht aktiviert. Möglicherweise sind sie gleich zurück zu Irene gefahren, überlege ich. Das wäre ohnehin das Beste. Andererseits war Yannick heute im Kindergarten … Dann eben nach dem Kindergarten. Weil Markus plötzlich genug hatte, weil er es in unseren gemeinsamen vier Wänden nicht länger ausgehalten hat. Ja, das wäre eine Möglichkeit, die mich beruhigen würde. Wenn ich ihn morgen nicht erreiche, rufe ich bei Irene in Düsseldorf an. Morgen. Jetzt ist es zu spät, rede ich mir ein. Ein Telefonat mit der Schwiegermutter verkrafte ich heute keinesfalls mehr. Schlimm genug, dass ich noch duschen muss.
    Nicht dass ich etwas gegen eine heiße Dusche einzuwenden hätte, ich bräuchte nur jemanden, der mich ins Bad trägt. Von einer Sekunde auf die andere bin ich todmüde, und meine Knochen sind schwer wie Blei, aber irgendwie habe ich noch immer diesen Pferdemistgeruch der letzten Nacht in der Nase, und ich fürchte, die Duftquelle bin ich selbst. Mein unfreiwilliges Bad im Altwindecker Dorfteich hat nur eingeschränkt Abhilfe geschaffen, und inzwischen sind auch die ›Marokkanischen Nächte‹ verweht. Mit der Hotelseife wasche ich gleich meine Klamotten aus und hänge sie über Nacht zum Trocknen über die Heizung – damit ich morgen wieder nett und adrett bin. Ich putze mir die Zähne und massiere mir die schmerzenden Füße.
    Frisch und sauber, ein dickes Kissen im Rücken, die Decke bis ans Kinn hochgezogen, kuschele ich mich ins Bett und überlege, ob ich mir eine heiße Milch mit Honig aufs Zimmer kommen lassen kann. Oder einen doppelten Whiskey. Doch ehe ich eine Entscheidung getroffen habe, bin ich auch schon eingeschlafen.

14
    Wenn du lügen kannst, dann lüge!
    Seneca

    Taa-ta-ta-ta-ta-taa-taa … Offenbachs aufpeitschender Cancan-Tanz lässt mich hochschrecken, und für einen Moment habe ich Schwierigkeiten, mich zu orientieren. Okay, ich liege im Bett eines Hotelzimmers, das sich in der Altstadt von Freudenberg befindet, und die Musik macht das Notfallhandy auf meinem

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