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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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Trrrrt-tat-tat-tat , das in regelmäßigen Abständen erklang. Jeder Maulwurf, ungeachtet seines Rangs oder Postens, stand reglos da, die winzige schwarze Schnauze hoch erhoben. Obwohl Sir Timothy blind war, schien er seine Truppen mit stolzer Unbeugsamkeit zu begutachten, und die Kronkorken seiner Rüstung (auf einem stand: Lemony Zip! ) glitzerten im Laternenschein der Oberirdischen.
    »Das ist so cool«, flüsterte Curtis völlig verzückt.
    »Mhm.« Mehr bekam Prue nicht heraus.
    Schließlich zügelte Sir Timothy seinen Salamander vor dem Maulwurfsheer. » RITTER VOM UNTERWALD «, rief er. » WIR MARSCHIEREN LOS! «
    Die Trommler bearbeiteten ihre selbst gebastelten Instrumente, und Dudelsackbläser stimmten eine kriegerische Melodie an. Das Trampeln Tausender kleiner Füße erzeugte ein gewaltiges Dröhnen in dem Gewölbe, als die Maulwurfsarmee gegen die Stadt der Maulwürfe vorrückte.

    Desdemona saß auf dem Sofa. Teilnahmslos betrachtete sie die Zeitschriften auf dem Tischchen und stellte fest, dass keine einzige davon sie reizte. Das 1%-Journal ? Was bedeutete das überhaupt? Sie verstand das Industriellengemüt einfach nicht, es war ihr schon immer fremd gewesen. Sie hatte sich mit ihnen eingelassen, weil das Geld sie angezogen hatte – das hatte ihr Cousin Dmitri ihr in seiner E-Mail aus New York geraten. »Wenn du es hier schaffen willst, Dessie«, hatte er geschrieben, »musst du dem Geld folgen.« Also hatte sie genau das getan. Und das Geld hatte sie zu Joffrey Unthank und dem Industriellenquintett geführt. Desdemona hatte durchaus das Gefühl, dass Dmitris Ratschlag vernünftig gewesen war, auch wenn sie inzwischen begriffen hatte, dass zu Erfolg und Zufriedenheit mehr gehörte als nur blind dem Geld zu folgen. Was dieses Mehr war, wusste sie noch nicht so recht. Aber sie war entschlossen, es herauszufinden.
    Die Frau am Empfang beäugte sie schon die ganze Zeit, seit sie in die Lobby des Titanenturms im dreißigsten Stock getreten war. Sie sah sehr jung aus, diese Sekretärin, und sie erinnerte Desdemona an sich selbst mit Anfang zwanzig – voller Ehrgeiz und Anmut. Als sie damals in Portland eintraf, hatte sie Schauspielrollen unter anderem in Die Landstreicher von Odessa und Der Pate: Teil zwei vorzuweisen gehabt. Letzteres war zwar nur ein inoffizielles ukrainisches Remake gewesen, aber egal: In einem Lebenslauf sah es toll aus. Ihr Traum war immer noch lebendig. Doch die Blicke, die diese Sekretärin ihr zuwarf, gaben Desdemona das unbestimmte Gefühl, sie würde auf sie herabsehen. Es lag etwas Höhnisches darin. Aber konnte sie ihr das verdenken? Hätte Desdemona in ihrem Alter eine solche Frau gesehen, in abgetragenem Kleid und mit zentimeterdicker Schminkmaske, um die drohenden Anzeichen des Alters notdürftig abzudecken, hätte sie dann nicht denselben vernichtenden Gesichtsausdruck gehabt?
    Zum Glück hatte sie keine Zeit mehr, diesen Gedankengang zu vertiefen, denn das Telefon klingelte. Die Sekretärin hob ab und sagte Kaugummi schmatzend in den Hörer: »Ja, sie ist hier, Mr. Wigman. Soll ich sie reinbringen?«
    Offenbar wurde das bejaht, denn die junge Frau stand auf, strich sich den Rock glatt und kam auf Desdemona zu. »Er empfängt Sie jetzt, Miss …«
    »Miss Mudrak.«
    »Genau. Mr. Wigman hat jetzt Zeit für Sie. Hier entlang, bitte.«
    Warte nur, kleines Mädchen , dachte Desdemona innerlich schäumend vor Wut. Dich kriegt das Leben auch noch klein .
    Nebeneinander liefen sie zu der großen Flügeltür aus Messing auf der anderen Seite der Eingangshalle. Die junge Frau hatte Mühe, sie zu öffnen, als sie es aber schließlich geschafft hatte, bedeutete sie Desdemona, einzutreten. Aus dem Raum wurde sie von einer dröhnenden, vertrauten Stimme begrüßt.
    »Dessie!«, sagte Mr. Wigman. »Schätzchen! Wo warst du mein ganzes Leben?«
    »Hallo, Mr. Wigman«, antwortete Desdemona mit einem künstlichen Schnurren. Es war ihre Lieblings-Schauspieltechnik: das charmante Schnurren.
    »Bitte, nenn mich doch Brad. Lassen wir die Formalitäten.« Er stand am Kopfende eines riesigen ovalen Konferenztisches, und seine wuchtige Statur wurde von hinten durch die Fenster beleuchtet, die auf die Industriewüste blickten.
    »Brad. Natürlich. Unter alten Freunden.«
    Brad Wigman, Industrietitan, lachte laut und dröhnend, und sein Gelächter wogte durch den Raum. Um dieses Lachen beneidete ihn die gesamte Industriellengemeinde. Es war sogar ein Artikel darüber in der Septemberausgabe von

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