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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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Partner beraubt, aber zweifellos hat sie anderswo noch weitere.«
    »Tja, dann geht es nicht anders.« Curtis wirkte beinahe erleichtert, diese schlechten Nachrichten zu hören. »Wir müssen zurück ins Lager.«
    Prue beachtete ihn gar nicht, sondern sprach mit der Antilope. »Wie geht es dir, kräftemäßig? Schaffst du es sicher zurück nach Nordwald?«
    Timon schnaufte etwas Dampf aus den Nüstern und erhob sich. »Ja«, sagte er. »Ich habe Kraft genug.«
    »Glaubst du, du könntest zwei Kinder auf deinem Rücken tragen?«
    »Moment mal, Prue«, unterbrach Curtis. »Hast du nicht gehört, was er gerade gesagt hat? Die Kitsunes sind in Nordwald. Sie suchen uns . Willst du ihnen unbedingt in die Arme laufen?«
    »Ich hab es dir schon gesagt: Ich habe keine andere Wahl. Ich muss da hin, Biolehrerin hin oder her. Du kannst gern hierbleiben.« Dann sagte sie an die Antilope gewandt: »Bringst du mich hin?«
    Das Tier druckste etwas und scharrte auf dem Boden. »Wenn das dein Wunsch ist, Prue«, sagte es schließlich. »Obwohl du dich damit womöglich in Gefahr bringst.«
    »Ja. Ich muss.«
    »Na gut.« Die Antilope ging so tief in die Knie, dass Prue auf ihren Rücken klettern konnte. Curtis trat zappelig von einem Bein auf das andere.
    »Kommst du jetzt mit oder nicht?«
    Anklagend zeigte er mit dem Finger auf seine Freundin. »Du!«, sagte er. »Du bist unmöglich !« Mit diesem letzten Vorwurf kapitulierte Curtis und stieg ebenfalls auf die Antilope. Er schlang die Arme um Prues Bauch und hielt sich fest, als das Tier Richtung Norden lostrabte. Die Ratte in den Baumkronen über ihnen sprang geschickt von Ast zu Ast, immer ein paar Meter voraus.

    Je mehr Prue sich dem Baum näherte, desto überzeugter war sie von ihrer Entscheidung. Wie eine Art Durst, der stärker wird, sobald man ein Glas Wasser in der Hand hält, war das Verlangen, beim Baum zu sein, beinahe unerträglich geworden, seit sie die Grenze zwischen Wildwald und Nordwald passiert hatte. Es war eine anstrengende Reise gewesen. Der Schneesturm hatte eine kalte, nasse Decke über die hohen Berge und Gipfel des Kathedralengebirges gebreitet, und mehrmals waren sie gezwungen gewesen, anzuhalten und eine besonders starke Böe abzuwarten. Die Antilope aber war kräftig und trittsicher und trotz allem gut über die kleinen Schluchten vorangekommen, die sie überqueren mussten.
    Von einem Dachs, der in einer Hütte in den Bergen wohnte, hatten sie frisches Wasser und Essen bekommen, und ein umherziehender Schwan, weiß wie der Schnee, hatte ihnen eine gute Wegbeschreibung gegeben, als sie die Täler von Nordwald erreichten und sich wegen der weiteren Route unsicher waren. Beide Tiere hatten das Gewand der Antilope gesehen und sich daraufhin nach Kräften bemüht, zu helfen. Dennoch blieb es beschwerlich. Immer wenn sie in die Nähe eines viel begangenen Wegs kamen, wichen sie ihm instinktiv aus und zogen stattdessen die Sicherheit des dichten Waldes vor. Ab und zu stiegen die Kinder ab und liefen neben der Antilope her, damit das Tier sich etwas erholen konnte.
    Sie hatten sich gerade wieder auf seinen Rücken gesetzt, als sie bei der großen Lichtung ankamen. Inzwischen war der Sog des Baums so stark und verwirrend geworden, dass Prue sich kaum aufrecht halten konnte. Curtis musste sie fest an seine Brust drücken, und zwei Mal fiel sie beinahe von Timon herunter. Endlich traten sie durch eine letzte Baumreihe, durch die sie helles Tageslicht erkennen konnten, und standen am Rande der großen Wiese um den Ratsbaum.
    Schlagartig löste sich das geheimnisvolle Ziehen, das Prue seit dem Vortag gespürt hatte, auf wie eine Rauchwolke. Sie war an seinem Ursprung angelangt.
    Curtis, der den Baum noch nie gesehen hatte, hielt die Luft an. Die Sonne ging gerade unter, und eine graue Fahlheit fiel über die weitläufige Lichtung. Der knorrige, uralte Baum ragte hoch über dem Gras auf, seine Zweige waren kahl. Am Fuß des Stamms war ein Lager aus Moos und Steinen gebaut worden, und bei diesem Anblick stöhnte Timon traurig auf. Prue und Curtis rutschten von seinem Rücken und sahen ihm nach, als er auf den Baum zutaumelte. Benommen folgten sie ihm. Prue hatte eine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, und flüsterte kaum hörbar: »Nein.«
    Das einfache Lager war in eine der großen oberirdischen Wurzeln des Baums geschmiegt wie ein Baby in den Arm einer fürsorglichen Mutter. Die Oberfläche bestand aus einer dicken Moosschicht und war mit den schlichten Farben

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