Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Landstreicherin durch, ihr blumenbedruckter Kaftan war schlammverschmiert und an der Schulter zerrissen. Der Fahrer eines Zigeunerwagens hielt sogar an und schenkte ihr einen Strickschal, den sie mit gemurmelten Dankesworten annahm. In jedem Fall kamen die wenigen Leute, die sie sahen, zu dem Schluss, dass ihr irgendein schlimmes Unglück zugestoßen sein musste, wenn sie in diesem kalten, windigen Wetter in solch ärmlicher Kleidung auf der Langen Straße unterwegs war. Ein Pilger versuchte, ihr ein paar Münzen im Vorbeigehen zu geben, wich aber zurück, als er ihr zerkratztes, blutiges Gesicht bemerkte. Er ließ das Silber zu Boden fallen und setzte seinen Weg fort. Sie hob es nicht auf.
Oben auf dem Pass wehte der Schnee heftig, und die Frau zog den geschenkten Schal fest um ihren Hals. Das Gelände war hier steil und unwirtlich, und der Schnee türmte sich in hohen Wehen auf. Die Sicht wurde immer schlechter, und die Frau biss entschlossen die Zähne zusammen. Endlich erreichte sie das verblasste Holzschild, das die Grenze zwischen Nordwald und Wildwald markierte, und bog in einen schmalen Weg, der von der Straße in den Wald führte. Bald kam sie zu einer Höhle im Bergabhang. Ein warmes Feuer knisterte darin, und sie trat ein und begrüßte die darum Sitzenden knapp.
»Ist es vollbracht, Darla?«, fragte einer. Es war ein dunkelhaariger Mann in einem dreiteiligen Anzug.
Sie nickte, setzte sich ans Feuer und streckte die Hände aus, um sie zu wärmen. Ihre Finger waren voller dunkelroter Flecke.
»Gut«, sagte eine Frau auf der anderen Seite des Feuers. Sie hatte die Haare ganz kurz geschnitten und trug eine Art Frottee-Trainingsanzug.
Darla atmete erleichtert auf, als die Wärme der Höhle sie umfing. Sie schüttelte ein paar Schneeflocken aus ihrem langen schwarzen Haar, dann wandte sie sich dem vierten Anwesenden in der Höhle zu: einem Wolf mit Augenklappe.
»Also, Korporal«, sagte sie. »Wenn Sie uns jetzt freundlicherweise genau sagen würden, wo dieses Räuberlager ist, können wir Ihnen Ihre Belohnung aushändigen.«
Der Wolf schnaubte zustimmend und nahm einen langen Schluck aus einem Bierkrug.
»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Prue.« Curtis sah seiner Freundin dabei zu, wie sie eilig einen Rucksack mit Proviant für ein paar Tage packte. Sie standen in der Küche des Räuberlagers, und Prue holte unter den Augen des Küchenpersonals Dinge aus einem gezimmerten Vorratsschrank. »Ich meine, wir sollen dich eigentlich verstecken. Beschützen.«
»Halt mal.« Prue drückte ihm den halb gefüllten Rücksack in die Arme, steckte sich einen Apfel zwischen die Zähne und durchsuchte einen Korb mit angelaufenem Besteck. Als sie ein Klappmesser mit Eichengriff fand, öffnete sie es und testete die Klinge. Zufrieden warf sie das Messer in den Rucksack.
Sie nahm den Apfel aus dem Mund, um sprechen zu können. »Ich muss. Ich muss sie sehen.«
»Aber sie ist fort, Prue.« Curtis runzelte die Stirn. »Das hast du selbst gesagt.«
»Trotzdem. Ich muss herausfinden, was passiert ist. Ich muss zum Baum.«
»Welchem Baum?«
»Dem Ratsbaum«, sagte Prue, während sie eine kurze Bestandsaufnahme des Rucksackinhalts machte. »Als ich wieder zu mir kam, als das Schreien aufgehört hatte, da hab ich so ein merkwürdiges Ziehen gespürt. Ein bisschen wie Heimweh, aber es war keins, weil ich mich nicht nach meinem Zuhause gesehnt habe. Es ist, als könnte ich den Weg nach vorn nicht sehen, wenn ich das nicht mache. Außerdem ist sie möglicherweise noch am Leben. Vielleicht kann ich helfen.« Sie nahm Curtis den Rucksack ab und setzte ihn auf.
»Aber was ist mit Brendan?«, fragte Curtis ganz leise, um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Die Räuber in der Küche machten sich wieder an ihre Arbeit, schälten Kartoffeln und schütteten eimerweise Möhren in einen dampfenden Topf über einem prasselnden Feuer. »Was ist mit unseren Anweisungen, auf dich aufzupassen? Iphigenia selbst hat sie uns gegeben, weißt du?«
»Mach’s gut«, sagte Prue.
Curtis rannte ihr hinterher, als sie aus der Höhle ging und auf eine schwankende Seilbrücke trat. »Jetzt warte doch mal«, sagte er.
»Ich kann es nicht erklären, Curtis.«
»Du hast also diese Schreierei gehört …«
»Ja.«
»Und bist beinahe in Ohnmacht gefallen.«
»Genau.«
»Und jetzt musst du dein Versteck verlassen, obwohl dein Leben von einem gestaltwandelnden Auftragsmörder bedroht wird, und wer weiß wie viele Kilometer
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