Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Als ein fünfter auftauchte, versuchte Elsie, sich ihm in den Weg zu stellen.
»Hallo«, rief sie. »Komm her.«
Der Hund, ein Collie, flitzte einfach um Elsie herum und verschwand wie der Blitz.
Und dann brach die Flut herein.
Es war wie eine heranstürmende Büffelherde. Das war Elsies erster Gedanke, als sie das lärmende Hunderudel sah, das durch das Unterholz brach und auf sie zu rannte. Es waren bestimmt dreißig Hunde aller vorstellbaren Rassen, und sie stürmten mit freudig sabbernder Hingabe quer über die Lichtung.
Martha stieß einen Schrei aus und fiel fast vom Baumstamm. Rachel sprang mit einem sportlichen Geschick, das Elsie noch nie bei ihr bemerkt hatte, in einem Satz über die Pappel und rannte vor dem Rudel davon. Elsie hingegen blieb stocksteif stehen. Die Fellwoge erreichte ihren Höhepunkt und umspülte sie, aber es war offensichtlich, dass die Hunde sich nicht im Geringsten für die drei Mädchen interessierten. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, das geisterhafte Wesen zu jagen, das die vorauseilenden fünf Hunde gelockt hatte. Einer von ihnen, ein schwarzer Mops, der wegen seiner Stummelbeine die Nachhut bildete, blieb jedoch stehen und leckte ein wenig an Elsies Stiefeln. Sie streichelte ihn, und er kläffte dankbar, ehe er weiterlief.
»Rachel!«, brüllte Elsie, als sie sich von ihrem Schrecken erholt hatte. »Martha!« Elsie flankte über den umgefallenen Baum und fand Martha zusammengekauert auf dem Waldboden, wo sie sich Schlamm von der Schutzbrille wischte.
»Was war das denn?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht«, sagte Elsie. »Aber wir müssen meiner Schwester hinterher. Sie hat ziemliche Angst vor Hunden.«
Die beiden Mädchen nahmen die Verfolgung auf. Es war ziemlich einfach, den Hunden auf der Spur zu bleiben. Ihre Schneise durch den Schnee ähnelte der einer rasenden Meute von Fußballfans auf der Suche nach einer Imbissbude. Die Unmengen von Hundepfoten hatten jede Pflanze auf ihrem Weg platt getreten. Schon bald hörten die Mädchen ein leises Wimmern und fanden Rachel, die sich gelähmt vor Angst an die unteren Äste eines Ahornbaums klammerte.
»Alles in Ordnung, Rachel?«, rief Elsie.
»Ich glaube, sie sind jetzt weg«, meinte Martha.
»O Gott«, sagte Rachel und stieg von dem Baum herunter. »Was war denn da los?«
»Wir wurden von einem Hunderudel überrannt«, antwortete Elsie.
»Und wie«, fügte Martha hinzu.
Rachel klopfte sich Moosbröckchen vom Mantel. Ihr Gesicht war dreckverschmiert und der Saum des Mantels voller Matschflecke. Sie reckte die Nase in die Luft. »Ist das Rauch?«, fragte sie.
Elsie stieg auch ein Hauch davon in Nase. Es roch nach den Überresten eines Holzfeuers, wie an einem Tag im Spätherbst auf dem Land. Offenbar kam es aus der Richtung, in die die Hunde gerannt waren. Wortlos folgten die drei Mädchen dem Duft. Er führte sie über die breite Schneise, die das Hunderudel ins Unterholz geschlagen hatte. Als sie sich dem Ursprung des Rauchs näherten, entdeckten sie Anzeichen von Besiedelung. Bäume waren gefällt und zersägt worden, neben einem Hackklotz lag ein Stapel frisch gehacktes Holz. Nun hörten sie auch Stimmen: Kinderstimmen. So leise wie möglich erklommen die drei Mädchen einen kleinen Hügel und sahen hinab in ein enges Tal, in das sich ein anheimelndes Holzhaus schmiegte. Eine dünne weiße Rauchfahne stieg aus dem Kamin.
In dem Garten vor dem Haus war eine Gruppe von vielleicht fünfzehn Kindern aller Altersstufen zu sehen. Sie waren dem Anschein nach zwischen acht und achtzehn Jahre alt und mit unterschiedlichen Dingen beschäftigt: Einige spielten miteinander, während andere häuslichen Pflichten wie Wäscheaufhängen und Holzhacken nachgingen. Mehrere Kinder jäteten in den Beeten Unkraut und stutzten das Wintergemüse. Eines allerdings, das konnten Elsie, Martha und Rachel nun erkennen, hatten alle Kinder gemeinsam: An ihren Ohrläppchen hingen gelbe Etiketten.
VIERZEHN
Eisiges Wasser, Wasser überall
W ie es aussah, lachte Prue McKeel und Curtis Mehlberg an jenem Tag das Glück, an dem Tag, als sie beide von der zerrissenen Brücke in die bodenlose Tiefe der Langen Schlucht stürzten. Es lachte nicht nur, sondern drückte den beiden außerdem noch einen dicken, feuchten Kuss auf die Stirn.
Die Felswand auf ihrer Seite der Kluft war nicht ganz senkrecht, sondern wies eine gewisse Neigung auf, die sich nach unten zu noch verstärkte. Das bedeutete, dass die beiden Kinder nicht richtig fielen oder durch
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