Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
entlegenen Winkel der Felsspalte gestürzt sein mussten. Wie tief unten sie waren, ließ sich nicht sagen. Eins allerdings war klar: Nach oben konnten sie nicht. Er legte die Hände an den Mund und rief erneut: »SEPTIMUS!«
Prue stand wortlos auf, belastete probehalber ihren schlimmen Knöchel und humpelte dann etwas auf ihrem kleinen Gesims herum, um sich zu orientieren. Lange dauerte das nicht. Sie hatte kaum mehr Platz als in einer Umkleidekabine. »Curtis.« Sie reckte den Hals nach oben, um das weit entfernte Glitzern des Tageslichts zu sehen. »Was machen wir denn jetzt?«
»Warte mal.« Er schob sich vorsichtig über die Kante des Vorsprungs und rutschte die paar Meter zu Prue hinunter. Er klopfte ihr etwas weißen Staub von der Schulter. »Zeig mal deinen Knöchel«, sagte er.
Zusammen zogen sie behutsam den Stiefel ab. Der Fuß war rot und geschwollen, aber Prue meinte, er schmerze nicht genug, um verstaucht zu sein. »Kannst du einigermaßen darauf laufen?«, fragte Curtis.
Prue nickte. Sie hatte einen stillen, resignierten Ausdruck auf dem Gesicht. Eine wachsende Traurigkeit.
»Wir kommen hier raus«, sagte er. »Ganz bestimmt.«
»Aber wie denn?«, fragte Prue.
Curtis beäugte die Felswand. »Am besten klettern wir wohl.« Doch selbst er wusste, dass es hoffnungslos war. Es war, als hätte er das gesagt, um diesen Vorschlag der Luft übergeben. Als hätte er dadurch einen erforderlichen Zauberspruch geflüstert, der sich in Rauch auflöste, sobald ihm Leben eingehaucht worden war.
Prue schüttelte nur den Kopf.
Sie hockten sich beide auf den Steinboden. »Da drüben ist nichts?«, fragte sie und deutete auf die Stelle, an der Curtis gelandet war. Wo der tote Fuchs lag.
»Nein. Da geht’s nur auf der anderen Seite steil runter.«
»Das ist doch ein Witz«, sagte Prue. »Ich meine, wir überleben den Sturz, nur um dann langsam hier in der Schlucht zu sterben?«
»Jemand hat jedenfalls einen grausamen Sinn für Humor, so viel ist sicher«, sagte Curtis. »Du weißt schon, Gott oder was auch immer.«
Es entstand eine Stille zwischen ihnen.
»Ach, ich hab alles verbockt.« Prue begann zu weinen.
»Wovon redest du denn?« Curtis versuchte, sie zu trösten, und legte ihr die Hand auf den Rücken.
»Das hier. Den ganzen Plan. Was ist mit dem, was der Baum gesagt hat? Dass wir den wahren Erben wiederbeleben müssen, bevor es die anderen tun? Wer auch immer das sein mag. Aber wie sollen wir das schaffen, wenn wir in diesem … diesem … Loch festsitzen? Ich wette, › die anderen‹ haben ihn inzwischen schon halb repariert.«
»Na und? Vielleicht wäre das das Beste. Vielleicht wollte der Baum das ja. Dass irgendjemand ihn zusammenbaut. Vielleicht ist Alexei tief drinnen ein großartiger Typ, obwohl er so eine Art Roboter ist. Dann stellt er möglicherweise den Frieden wieder her, egal, wer ihn wiederbelebt.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, meinte Prue. »Warum hätte der Baum das dann zu mir gesagt? Nein, wir sollten es machen. Und wir haben es verbockt.« Sie verstummte, die Hand auf den Mund gelegt, tief in Gedanken versunken.
»Mach dich deshalb nicht fertig. Vielleicht sind ja noch ein paar Räuber übrig, die zurückkommen, und wenn wir laut genug schreien, hören sie uns.« Curtis starrte das bisschen Tageslicht an, das sie erkennen konnten.
»Das glaube ich kaum«, sagte Prue.
»Ich auch nicht.«
Curtis blies die Wangen auf und stieß geräuschvoll die Luft aus. »Tja, da oben habe ich gesagt › Das war’s‹.« Er zeigte nach oben. »Aber das stimmte wohl nicht. Ich schätze mal, das hier war’s. Schon komisch. Es passiert nicht oft, dass man zweimal innerhalb weniger Minuten denkt › das war’s‹. Oder vielleicht passiert es auch ständig. Vielleicht ist der Tod einfach nur eine Abfolge von › das war’s‹, bis man schließlich …«
»HILFE!«, ertönte eine Stimme und unterbrach Curtis ’ makabre Überlegungen. Sie kam aus dem Dunkel unter dem Vorsprung, direkt unterhalb des Felsens. »Ich bin blind! Ich bin blind!«
Es war unbestreitbar die Stimme der Ratte Septimus, schrill vor Angst. Curtis rollte sich auf den Bauch und schob sich zur Kante vor. Er bedeutete Prue, ihm die Laterne zu reichen, und wedelte damit in der Dunkelheit herum. Etwa zehn Meter unterhalb sah er eine Bewegung auf einem weiteren Felsbrocken, der zwischen den Steilwänden klemmte.
»Oh!«, sagte Septimus und blinzelte ins schwankende Laternenlicht. »Doch nicht. Ich kann sehen. War
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