Wildwood
Erleichterung ließ Curtis sich offenbar leicht einschüchtern. Er warf die Hände hoch und sagte: »Ist ja schon gut! Ich war doch nur neugierig.«
»Tja, dann lass das in Zukunft mal schön bleiben«, antwortete sie. »Vergiss einfach alles, was du gesehen hast, verstanden?« Sie stieg aufs Fahrrad, drehte sich noch einmal zu Curtis um und sagte: »Ich bin nicht verrückt.« Und damit fuhr sie los.
DREI
Eine Brücke überqueren
E s war schon fast sieben Uhr, als Prue sich ihrem Elternhaus näherte. Durch das Wohnzimmerfenster fiel Licht und sie konnte die Umrisse ihrer Mutter erkennen, den Kopf über ihr Strickzeug gebeugt. Prues Vater war nirgends zu sehen, als sie ganz langsam seitlich um das Haus herumschlich, um möglichst kein Geräusch auf dem feinen Kies zu machen. Die nasse Decke im Anhänger sah zwar einem schlafenden Einjährigen täuschend ähnlich, würde aber wohl kaum einer genaueren Überprüfung standhalten. Deshalb hoffte Prue, ihren Eltern und deren neugierigen Fragen
zu entgehen. Diese Hoffnung wurde allerdings prompt zunichtegemacht, als sie um die hintere Ecke bog und ihren Vater entdeckte, der den Müll in die Abfalltonnen sortierte. Als er Prue sah, wischte er sich die Hände ab und rief: »Hallo Schätzchen!« Das Licht der Veranda warf einen trüben Schein auf den dunklen Rasen.
»Hallo Paps«, sagte Prue. Mit heftig pochendem Herzen schob sie das Fahrrad zur Hauswand und lehnte es dort an.
Ihr Vater lächelte. »Ihr wart aber lange unterwegs. Wir haben uns schon langsam Sorgen gemacht. Übrigens hast du das Abendessen verpasst.«
»Wir haben auf dem Heimweg noch bei einem Imbiss Halt gemacht und uns gebratene Nudeln geteilt.« Etwas unbeholfen stellte sie sich zwischen ihren Vater und den roten Anhänger. Sie war sich jeder ihrer Bewegungen schmerzlich bewusst, während sie gleichzeitig versuchte, ganz ungezwungen zu wirken. »Wie war euer Tag?«
»Ach, ganz gut«, sagte er. »Bisschen viel künstliche Aufregung.« Er hielt kurz inne. »Kapiert? Kunsthandwerkermarkt? Künstliche Aufregung?« Prue stieß ein hohes, lautes Lachen aus, das sie sofort bereute; normalerweise stöhnte sie über die furchtbaren Wortspiele ihres Vaters. Dem schien das auch aufzufallen. Er zog eine Augenbraue hoch und fragte: »Wie geht ’s Mac?«
»Super!«, sprudelte es aus Prue heraus, vielleicht etwas zu hastig. »Er schläft!«
»Wirklich? Ganz schön früh für ihn.«
»Äh, wir waren echt … aktiv heute. Er ist viel rumgelaufen. Hat einen ziemlich erledigten Eindruck gemacht, also hab ich ihn nach dem Essen nur in seine Decke eingewickelt, und er ist sofort eingeschlafen.« Mit einem Lächeln deutete sie auf den Anhänger hinter sich. »Einfach so.«
»Hmm«, meinte ihr Vater. »Na ja, dann bring ihn rein und steck ihn in seinen Schlafanzug. Vielleicht ist er wirklich einfach fertig.« Seufzend drehte er sich zu den Mülltonnen um und widmete sich wieder seiner Aufgabe.
Prue atmete erleichtert auf. Dann bückte sie sich, hob vorsichtig die nasse Decke aus dem Wägelchen und ging ins Haus, während sie das Bündel schaukelte und beruhigende Koseworte murmelte.
Die Hintertür führte direkt in die Küche, und Prue schlich so leise sie konnte über den Korkfußboden. Sie hatte es schon beinahe zur Treppe geschafft, als ihre Mutter aus dem Wohnzimmer rief: »Prue? Bist du das?«
Prue blieb stehen und drückte sich die nasse Decke an die Brust. »Ja, Mama?«
»Ihr beiden habt das Abendessen verpasst. Wie geht ’s Mac?«
»Gut. Er schläft. Wir haben auf dem Heimweg was gegessen.«
»Er schläft?«, fragte ihre Mutter, und Prue malte sich ihr bebrilltes Gesicht aus, das sich nach der Uhr auf dem Kaminsims umsah. »Aha. Na, dann zieh ihm …«
»… seinen Schlafanzug an«, beendete Prue den Satz. »Bin schon dabei.«
Sie rannte nach oben, nahm dabei immer zwei Stufen auf einmal, und hastete in ihr Zimmer, wo sie die durchweichte Decke in ihren Wäschekorb stopfte. Dann ging sie über den Flur in Macs Zimmer, schnappte sich eins seiner Stofftiere – einen Uhu –, legte es in sein Gitterbettchen und packte es sorgfältig in mehrere Decken ein. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass man den Klumpen auf den ersten Blick tatsächlich für ein schlafendes Kind halten konnte, nickte Prue, schaltete das Licht aus und kehrte in ihr Zimmer zurück.
Als sie die Tür abgeschlossen hatte, warf sie sich aufs Bett und vergrub ihren Kopf im Kissen. Ihr Herz schlug immer noch wie wild, und sie
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