Wildwood
Anstrengungen hinter sich.
Auch die anderen Räuber waren jetzt wach und kauerten sich an ihre Gitterstäbe. Fassungslos verfolgten sie die übliche Ansprache des Wärters an den neuen Gefangenen: »Die Entfernung zum Boden: unüberwindlich. Lass die Hoffnung fahren. Lass alle Hoffnung fahren.« Brendan blickte ins Leere und verzog keine Miene.
»DAFÜR WERDET IHR BEZAHLEN!«, schrie Angus und rüttelte verzweifelt an seinem Käfig.
Eamon und Seamus hatten ihre Blechschüsseln aufgehoben und machten einen Höllenlärm, indem sie sie über die hölzernen Gitterstäbe schleiften.
Cormac dagegen saß nur im Schneidersitz auf dem Boden seiner Käfigzelle und murmelte still vor sich hin. »Wir haben verloren«, glaubte Curtis ihn flüstern zu hören.
Der Wärter versuchte, Ruhe zu schaffen, indem er die Männer niederschrie, aber es half nichts; die Räuber setzten ihren ohrenbetäubenden Protest fort. Mürrisch holte er die Leiter und hakte sie in die Gitterstäbe eines leeren Käfigs; der Räuberkönig wurde von seinen Fesseln befreit und mit vorgehaltenem Schwert gezwungen, in die schaukelnde Zelle hinaufzuklettern. Erst als der Schlüssel im Käfigschloss herumgedreht wurde, verfielen seine Kameraden in ein entsetztes, ehrfürchtiges Schweigen. Und dann war der ganze Spuk ebenso schnell wieder vorbei, wie er begonnen hatte: Der Wärter lehnte die Leiter zurück an die Wand, warf den Gefangenen einige Schimpfworte an den Kopf und verließ mit den Soldaten die Höhle.
Eine Zeitlang herrschte Totenstille. Nur das Seil über Brendans Käfig ächzte. Brendan saß in der Mitte des Käfigbodens und starrte ausdruckslos vor sich hin.
Schließlich wagte Seamus ein paar Worte. »König!«, sagte er leise. »Unser König! Wie bist du …?«
Ohne den Blick zu heben, erwiderte Brendan nur: »Der Krieg ist nicht vorbei, Jungs.«
»Aber was ist mit … haben sie das …«, stammelte Angus.
»Das Lager ist noch versteckt«, entgegnete Brendan. »Das werden sie nicht finden. Alle sind in Sicherheit.«
Immer noch unter Schock sagte Cormac: »Wir sind verloren.«
Diese schlichte Feststellung riss Brendan aus seiner Starre. Er machte einen Satz, umklammerte die Gitterstäbe seines Käfigs und brüllte Cormac an: »Glaub das bloß nicht! Der Krieg ist noch lange nicht vorbei. Wir haben immer noch Blut in den Adern!«
Die Höhle wurde still. Niemand sprach ein Wort.
Prue war schwindlig. Seit ihrer Bruchlandung hatte sie praktisch nicht mehr auf den eigenen Füßen gestanden. Als sie jetzt von den Kojoten durch den Wald geführt wurde, spürte sie einen stechenden Schmerz nicht nur in der Brust, sondern auch im Knöchel. Die Abschürfungen auf ihrer Haut waren verschorft und von hellroten
Rändern umgeben. Noch nie zuvor hatte sie sich so elend gefühlt. Die Gedanken, die sie direkt vor dem Abschuss des Adlers gehabt hatte, spulten sich unablässig in ihrem Kopf ab; jetzt kamen sie ihr vor wie eine wahr gewordene Prophezeiung: Alles ist hoffnungslos. Ich werde meinen Bruder nie finden . Verzweifelt kämpfte sie gegen die Bilder an, die sich vor ihr geistiges Auge drängten: schauerliche Bilder von dem, was einem kleinen Kind in einem wilden Wald alles zustoßen konnte, ohne Nahrung, als Gefangener eines Schwarms brutaler Krähen. Vielleicht war das Schlimmste wenigstens schon vorbei. Vielleicht hatte er ja seinen Frieden gefunden.
Zum Glück waren die Kojoten auf Anweisung ihres Kommandanten nachsichtig, und Prue durfte etwas langsamer gehen, sodass sie auf ihrem gesunden Knöchel vor sich hin humpeln konnte. Nach einer Weile erreichten sie einen kleinen Hügel mit einer breiten, fast gänzlich von überhängenden Farnen verdeckten Höhlenöffnung, und Prue wurde aufgefordert, hineinzugehen. Ein Tunnel, in dem die Wurzeln von der Decke hingen, führte in die Erde hinunter. Die Luft war kalt und feucht und roch nach Hund. Schließlich gelangten sie in ein großes Gewölbe, in dem ein paar Kojoten herumliefen. In der Mitte brodelte ein großer Kessel. Prue wurde durch eine offene Tür geschickt und betrat eine Art rustikalen Thronsaal.
Auf dem Thron saß die Gouverneurswitwe. »Komm.« Sie winkte mit einem Finger. »Komm näher.«
Die Kojoten, die sie flankiert hatten, verließen daraufhin den Raum, und Prue hinkte vorsichtig weiter, bis sie nur ein paar Schritte vor dem Thron stand.
Die Gouverneurin musterte sie zärtlich, ein warmes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. »Aber wo sind denn meine Manieren«, sagte sie. »Wir
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