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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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haben uns ja noch gar nicht richtig einander vorgestellt. Mein Name ist Alexandra. Vielleicht hast du schon von mir gehört.«
    »Die Gouverneurswitwe«, krächzte Prue. »Ja, hab ich.« Es fiel ihr schwer, die Worte zu formulieren; ihre Stimme klang fremd, ganz kratzig und schwach.
    Alexandra nickte freundlich. »Möchtest du dich gern setzen?«
    Prue war erleichtert, als ein Kojote einen Hocker aus unbehandelten Ästen und gegerbtem Hirschleder brachte. Dankbar ließ sie sich darauf nieder.
    »Ich hoffe, nur Gutes«, fuhr Alexandra fort.
    »Was?«
    »Ich hoffe, du hast nur Gutes von mir gehört«, erklärte die Gouverneurswitwe.

    Prue dachte kurz nach. »Ich weiß nicht. Von beidem etwas, glaube ich.«
    Alexandra verdrehte die Augen. »So ist das mit dem Ruhm.«
    Prue zuckte die Achseln, sie war erschöpft. Unter normalen Umständen wäre sie vermutlich von dieser wunderschönen Frau auf dem Thron furchtbar eingeschüchtert gewesen, aber jetzt war sie einfach zu müde.
    »Und wie heißt du?«
    »Prue. Prue McKeel.«
    »Sehr erfreut, deine Bekanntschaft zu machen«, sagte Alexandra. »Ich hoffe doch, meine Soldaten haben dich sanft behandelt?«
    Prue ignorierte die Frage. »Wo ist Brendan?«, fragte sie.
    Alexandra lachte leise und strich mit dem Finger über die Armlehne ihres Throns. »Da, wo er nie mehr Menschen wehtun kann. Du weißt doch wohl, dass dieser Mann eine ernsthafte Gefahr für die Gesellschaft ist?«
    »Was hat er denn getan?«, fragte Prue skeptisch.
    »Schreckliche Dinge«, antwortete Alexandra. Sie beäugte Prue mit einem spöttischen Lächeln, ehe sie weitersprach. »Ich weiß, er wirkt vielleicht wie ein charmanter Schwerenöter, dieser sogenannte Räuberkönig, aber ich kann dir versichern, er ist ein sehr bedrohliches Individuum. Du hast Glück, dass wir dich gefunden haben; wer weiß, was dir alles widerfahren wäre, wenn du weiterhin in seiner Gewalt geblieben wärst.«

    »Mir ging es gut«, sagte Prue.
    »Er ist ein Mörder, meine Liebe.« Die Gouverneurin wurde plötzlich ernst. »Ein Mörder und ein Dieb. Eine Plage für den Handel zwischen den Waldstaaten und eine Geißel für das Gemeinwohl. Ein Feind von Mann und Frau, Mensch und Tier gleichermaßen. Er hat diesem Land mehr Schaden und Schmerz zugefügt, als jeder zivilisierte Bürger dulden würde. Nun, da er hinter Gittern sitzt, sind wir alle ein wenig sicherer.«
    Prue ließ sich diese Informationen gründlich durch den Kopf gehen; vielleicht hatte die Gouverneurin recht. Sie selbst hatte ja nur eine knappe Stunde mit ihm zusammen verbracht. Inzwischen hütete sie sich davor, sich allzu schnell eine Meinung über die Leute in diesem merkwürdigen Land zu bilden. Das hatte sie aus der Enttäuschung über das Verhalten des Gouverneurregenten gelernt.
    »Ich bin nur wegen meinem Bruder hier«, sagte Prue schließlich. »Ich will mich da nicht einmischen.«
    Alexandra zog eine Augenbraue hoch. »Dein Bruder ist hier in Wildwald?«
    Prue holte tief Luft. Allmählich rasselte sie ihr Sprüchlein ganz mechanisch herunter. »Er wurde entführt. Von Krähen. Sie haben ihn hierher gebracht. Und ich bin auf der Suche nach ihm.«
    Betrübt schüttelte Alexandra den Kopf. »Die Krähen also. Ich kann dir sagen, dass die Krähen zufällig als Nächstes auf meiner Liste stehen: Sie müssen diszipliniert werden. Seit ihrer Abspaltung
vom Fürstentum haben sie einige furchtbare, furchtbare Dinge getan.«
    Prues Miene erhellte sich etwas. »Haben Sie sie gesehen? Die Krähen?«
    »Aber ja, wir haben sie gesehen. Draußen im Wald. Genau wie diese schändlichen Räuber sind die Krähen ein Element in Wildwald, das wir … wie soll ich sagen … zu mäßigen versuchen. Wie eine Krankheit. Oder ein besonders nervtötendes Insekt. Kannst du mir folgen?«
    »Ich glaube schon«, sagte Prue. Ihr Knöchel brannte von dem langen Marsch zum Kojotenbau. Aus der Ferne sickerte das Geräusch plaudernder Soldaten zu ihnen. »Aber mein Bruder. Haben Sie ihn gesehen?«
    Alexandra überlegte kurz. »Zu meinem großen Bedauern nicht. Es wäre eine denkwürdige Entdeckung gewesen, ein kleiner Außenweltjunge in Wildwald. Wir haben uns hier ein ganzes Stück vergrößert, durch unsere bescheidene Armee, und wir haben schon viel von diesem wilden Land gesehen – aber es gibt noch so viel mehr zu entdecken. Ich kann mir vorstellen, dass wir auf diese Krähen stoßen, wenn wir etwas näher an das Vogelfürstentum rücken. Möglicherweise werden wir …«
    »Aber Sie

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