Wilhelm Busch
ferne.
Und Jean mit demutsvollem Blick,
Drei Schritte hinterwärts zurück,
Das Buch der Lieder in der Hand,
Folgt seiner Herrin unverwandt.
Doch ist Helene nicht allein
Nur auf sich selbst bedacht. — O nein! —
Ein guter Mensch gibt gerne acht,
Ob auch der andre was Böses macht;.
Und strebt durch häufige Belehrung
Nach seiner Beßrung und Bekehrung.
„Schang!“ — sprach sie einstens — „Deine Taschen
Sind oft so dick! Schang! Tust du naschen?
Ja, siehst du wohl! Ich dacht es gleich!
O Schang! Denk an das Himmelreich!“
Dies Wort drang ihm in die Natur,
So daß er schleunigst Beßrung schwur.
Doch nicht durch Worte nur allein
Soll man den andern nützlich sein. —
Helene strickt die guten Jacken,
Die so erquicklich für den Nacken;
Denn draußen wehen rauhe Winde. —
Sie fertigt auch die warme Binde;
Denn diese ist für kalte Mägen
Zur Winterszeit ein wahrer Segen. —
Sie pflegt mit herzlichem Pläsier
Sogar den fränk’schen Offizier,
Der noch mit mehren dieses Jahr
Im Deutschen Reiche seßhaft war. —
Besonders aber tat ihr leid
Der armen Leute Bedürftigkeit. —
Und da der Arzt mit Ernst geraten,
Den Leib in warmem Wein zu baden,
So tut sie’s auch.
Oh, wie erfreut
Ist nun die Schar der armen Leut’,
Die, sich recht innerlich zu laben,
Doch auch mal etwas Warmes haben.
E LFTES K APITEL
Geistlicher Rat
Viel Freude macht, wie männiglich bekannt,
Für Mann und Weib der heilige Ehestand!
Und lieblich ist es für den Frommen,
Der die Genehmigung dazu bekommen,
Wenn er sodann nach der üblichen Frist
Glücklicher Vater und Mutter ist. —
— Doch manchmal ärgert man sich bloß,
Denn die Ehe bleibt kinderlos. —
— Dieses erfuhr nach einiger Zeit
Helene mit großer Traurigkeit. —
Nun wohnte allda ein frommer Mann,
Bei Sankt Peter dicht nebenan,
Von Frau’n und Jungfrau’n weit und breit
Hochgepriesen ob seiner Gelehrsamkeit. —
(Jetzt war er freilich schon etwas kränklich).
„O meine Tochter!“ — sprach er bedenklich —
„Dieses ist ein schwierig’ Kapitel;
Da helfen allein die geistlichen Mittel!
Drum, meine Beste, ist dies mein Rat:
Schreite hinauf den steilen Pfad
Und folge der seligen Pilgerspur
Gen Chosemont de bon secours,
Denn dorten, berühmt seit alter Zeit,
Stehet die Wiege der Fruchtbarkeit.
Und wer allda sich hinverfügt,
Und wer allda die Wiege gewiegt,
Der spürete bald nach selbigter Fahrt,
Daß die Geschichte anders ward.
Solches hat noch vor etzlichen Jahren
Leider Gotts! eine fromme Jungfer erfahren,
Welche, indem sie bis dato in diesen
Dingen nicht sattsam unterwiesen,
Aus Unbedacht und kindlichem Vergnügen
Die Wiege hat angefangen zu wiegen. —
Und ob sie schon nur ein wenig gewiegt,
Hat sie dennoch ein ganz kleines Kind gekriegt. —
Auch kam da ein frecher Pilgersmann,
Der rühret aus Vorwitz die Wiegen an.
Darauf nach etwa etzlichen Wochen,
Nachdem er dieses verübt und verbrochen,
Und — Doch, meine Liebe, genug für heute
Ich höre, daß es zur Metten läute.
Addio! Und — Trost sei Dir beschieden!
Zeuge hin in Frieden!“
Z WÖLFTES K APITEL
Die Wallfahrt
Doch von gnadenreicher Stelle
Winkt die Schenke und Kapelle. —
Aus dem Tale zu der Höhe,
In dem seligen Gedränge
Andachtsvoller Christenmenge
Fühlt man froh des andern Nähe;
Denn hervor aus Herz und Munde,
Aus der Seele tiefstem Grunde
Haucht sich warm und innig an
Pilgerin und Pilgersmann. —
Hier vor allen, schuhbestaubt,
Warm ums Herze, warm ums Haupt,
Oft erprobt in ernster Kraft,
Schreitet die Erzgebruderschaft.
Itzo kommt die Jungferngilde,
Auf den Lippen Harmonie, —
In dem Busen Engelsmilde,
In der Hand das Paraplü. —
Oh, wie lieblich tönt der Chor!
Bruder Jochen betet vor. —
Aber dort im Sonnenscheine
Geht Helene traurig-heiter,
Sozusagen, ganz alleine,
Denn ihr einziger Begleiter,
Stillverklärt im Sonnenglanz,
Ist der gute Vetter Franz,
Den seit kurzem die Bekannten
Nur den „heil’gen“ Franz benannten. —
Traulich wallen sie zu zweit
Als zwei fromme Pilgersleut.
Gott sei Dank, jetzt ist man oben!
Und mit Preisen und mit Loben
Und mit Eifer und Bedacht
Wird das Nötige vollbracht.
Freudig eilt man nun zur Schenke,
Freudig greift man zum Getränke,
Welches schon seit langer Zeit
In des Klosters Einsamkeit
Ernstbesonnen, stillvertraut,
Bruder Jakob öfters braut.
Hierbei schaun sich innig an
Pilgerin und Pilgersmann.
Endlich nach des Tages
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