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Wilhelm II

Wilhelm II

Titel: Wilhelm II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Christopher
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immer ganz ernst gemeint. Sie sollten mehr dem Zuhörer imponieren […] Ein fester, und namentlich konsequenter Wille stand nicht dahinter.« 113 Nachdem Wilhelm das Amt des Kanzlers ausgehöhlt und das Ministerium in seine Bestandteile zerlegt hatte, war er selbst außerstande, dem politischen Entscheidungsprozess eine einigende Stoßrichtung zu verleihen. Mehr als je zuvor wurde eine koordinierende und in die Grenzen weisende Hand gebraucht. Sie sollte in der Person des Nachfolgers von Hohenlohe, Bernhard von Bülow, auf die politische Bühne treten.

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    Innenpolitik von Bülow bis Bethmann

»Persönliches Regiment – im guten Sinne«?
    Bernhard von Bülow, Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten von 1897 an und Kanzler von 1900 bis 1909, verdankte seinen Aufstieg dem Einfluss des engen Freundes Wilhelms, Philipp Eulenburg. In der Tat könnte man seine Ernennung gar als Höhepunkt der »Kamarillapolitik« während Wilhelms Herrschaft ansehen. Es wäre aber unfair zu behaupten, Bülow habe die Beziehung zu Eulenburg allein zu dem Zweck gepflegt, einen politischen Vorteil zu erlangen. Immerhin lernten sich die beiden Männer Mitte der achtziger Jahre zu einem Zeitpunkt kennen, als niemand den Nutzen des anderen vorhersehen konnte. Als Eulenburg jedoch Einfluss auf Wilhelm bekam, forcierte Bülow, ein hohes Amt im Blick, seine Bemühungen, sich Eulenburg zu empfehlen.
    In seinem Briefwechsel mit Eulenburg präsentierte Bülow sich selbst als glühenden Verfechter des monarchischen Prinzips, der bei der Wiederherstellung einer kaiserlichen Monarchie mitwirken wollte, die durch den Konflikt mit Bismarck und die ständigen Ministerkrisen der neunziger Jahre Schaden genommen hatte. »Wir können nicht dankbar genug sein, dass wir einen solchen Herrn haben«, schrieb er im August 1890 Eulenburg. »der mich immer an die heldenhaften Salier und Hohenstaufen-Kaiser unseres Mittelalters gemahnt. Er ist […] von dem Holze gemacht, aus dem unser Herrgott die großen, die sehr großen Herrscher zu schnitzen liebt.« 1 Ein Jahr später schrieb er: »Seine Ideen und Pläne sind fast alle richtig, oft genial; sie steigen aus dem Born einer einzigartigen und großartigen Individualität empor, die mit merkwürdigem Verständnis für die Bedürfnisse
der Zeit seltene Energie und Klugheit verbindet […]. Eine andere Frage ist [fügte er spitz hinzu], ob die allerhöchsten Intentionen immer geschickt ausgeführt wurden.« 2
    Bereits im Jahr 1894 hatte Bülow Holsteins Platz als wichtigster politischer Kollaborateur Eulenburgs eingenommen. Eulenburg baute Bülow für ein Amt auf und empfahl ihn geflissentlich Wilhelm als tüchtigen Nachfolger, zunächst für Marschall als Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten und dann für Hohenlohe selbst. 3 Bülow empfahl sich seinerseits ebenfalls für die Kanzlerschaft: »Ich wäre ein anderer Reichskanzler wie die bisherigen. Bismarck war eine Macht für sich, [ein] Pipin, Richelieu. Caprivi und Hohenlohe fühlten und fühlen sich doch als Vertreter des ›Gouvernements‹ und bis zu einem gewissen Grade des Parlaments Sr. Majestät gegenüber. Ich würde mich als ausführendes Werkzeug Sr. Majestät betrachten, gewissermaßen als sein politischer Chef des Stabes. Mit mir würde im guten Sinne, aber tatsächlich ein persönliches Regime beginnen.« 4
    Es spricht gewiss vieles für die Annahme, dass die Ernennung einer Person, die für ihren kriecherischen und versöhnlichen Charakter berühmt war, 5 zum höchsten Amt im Land den Weg frei machte für eine eindrucksvolle Festigung und Ausweitung der Rolle des Kaisers in der Politik. Diese Ansicht vertritt John Röhl, der die These aufstellte, dass mit Bülows Amtszeit der Übergang von einer spontanen Einmischung des Monarchen in den Regierungsprozess (wie in den neunziger Jahren) zu einem »institutionalisierten, persönlichen Regiment« vollzogen worden sei. Eine »Einmischung in die Geschäfte der amtlichen Instanzen« durch den Kaiser war nunmehr kaum erforderlich, weil die »Schlüsselämter« der Regierung mit »Männern (Bülow, Tirpitz, Podbielski) besetzt [waren], die vom Kaiser ernannt worden waren, um seine Intentionen durchzusetzen«. 6
    Dass Bülow letztlich von der Bereitschaft des Kaisers, ihn ihm Amt zu halten, abhängig war und dass sein Verhalten unterwürfig und versöhnlich war, steht außer Zweifel. Doch die These, Bülows Kanzlerschaft komme einer »institutionalisierten,
persönlichen Herrschaft«

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