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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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waren jedenfalls geneigt, Wilhelms Ansichten zur Arbeiterfrage zu unterstützen, entweder weil staatliche Interventionen im Einklang mit ihren eigenen Ansichten in der Sozialpolitik standen oder (wie im Falle Sachsens) weil sie den Wettbewerbsnachteil der Arbeitsgesetze ausgleichen wollten, die in ihren eigenen Territorien bereits galten. Großherzog Friedrich betrachtete seinerseits offenbar die fürstliche Zusammenarbeit im Bundesrat als ein Mittel für die Wiederbelebung der verfassungsmäßigen Rolle der deutschen Staatsoberhäupter sowie für die Garantie einer »wirksameren Teilnahme der durch die Reichsverfassung berechtigten Staaten an den Entscheidungen der großen politischen Fragen bezüglich der Weltstellung des Reiches und dessen Machtentfaltung« 38 – ein Anspruch, der letztlich nicht erfüllt werden sollte. Bis zum 15. Januar hatte sich – weitgehend auf Wilhelms Anregung hin, wenn man einem Bericht des österreichisch-ungarischen Botschafters Glauben schenken kann 39 – um den Großherzog Friedrich von Baden, König Albrecht von Sachsen und Großherzog Carl Alexander von Weimar eine Gruppe von Staatsoberhäuptern gebildet. Sie kamen überein, dass die sächsische Delegation einen Antrag in den Bundesrat einbringen sollte. Bismarck gelang es in letzter Minute, diesen Schachzug mit Hilfe von Rücktrittsdrohungen zu verhindern, die er den fürstlichen Gesandten in Berlin persönlich überbrachte. 40 Doch die Initiative verdeutlicht ansatzweise die Vielfalt und das Potenzial der konstitutionellen Instrumente, die einem Kaiser gemäß der deutschen Hybrid-Verfassung zur Verfügung standen, der entschlossen war, seinen politischen Einfluss auszudehnen.
    Die gegenseitige Blockade hielt den ganzen Januar und Februar 1890 hindurch an. Eine von Wilhelm auf den 24. Januar einberufene Kronratsitzung wurde zum Schauplatz eines offenen Schlagabtausches zwischen dem Kaiser und seinem ersten Minister. Wilhelm hielt eine emotionsgeladene Rede und sprach von skrupellosen Kapitalisten, die ihre Arbeiter wie »Zitronen« ausgequetscht und auf dem »Kothaufen« liegen gelassen hätten. Anschließend zählte er seine Reformvorschläge auf, lehnte die Idee eines verschärften Sozialistengesetzes ab und verknüpfte seine eigenen Initiativen mit den sozialen Errungenschaften seiner Vorfahren. Bismarck gab keinen Fußbreit Boden preis, und die Minister, die von der drohenden Krise gelähmt waren, fügten sich entweder (bis auf wenige Ausnahmen) dem Kanzler oder blieben ganz bewusst neutral. Nach der Sitzung sagte Wilhelm dem Vernehmen nach zum Großherzog von Baden: »Die Minister sind ja nicht meine Minister, sie sind die Minister des Fürsten Bismarck.« 41
    Doch dem Kanzler gingen allmählich die Optionen aus. Am 25. Januar verwarf der Reichstag das Sozialistengesetz. Damit wurde die Handlungsfähigkeit des Bismarckschen »Kartells« in Frage gestellt. Am 4. Februar gab Wilhelm zwei öffentliche Erklärungen ab. Eine an den Kanzler gerichtete forderte diesen auf, eine europaweite Konferenz zur Arbeiterfrage in Berlin zu organisieren. Und die zweite an den preußischen Handelsminister (ebenfalls Bismarck) gab Anweisung, neue Gesetze zu Sozialversicherung, Arbeitsbedingungen und Arbeitervertretung auszuarbeiten. Bismarck redigierte die Erklärungen, um ihre öffentliche Wirkung abzuschwächen, und zeichnete sie nicht gegen, aber er konnte nicht verhindern, dass sie die öffentliche Meinung für die Seite des Kaisers einnahmen. In den folgenden Wochen versuchte er mit einer erstaunlich vielfältigen Palette von Maßnahmen, Wilhelm die Hände zu binden: Er stachelte die Schweizer an, auf einer parallelen Arbeiterkonferenz in Bern zu beharren, die das Projekt des Kaisers in Berlin in den Hintergrund drängen würde, wollte die Sachsen von dem Plan abbringen, dem Bundesrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, erklärte wiederholt die Absicht, von mehreren Ämtern zurückzutreten, verlegte sich bei Ministertreffen auf eine Blockadetaktik und erneuerte seine Kampagne für strengere Sozialistengesetze, selbst auf Kosten mehrfacher Auflösungen des Reichstags. Das waren die grotesken, letzten Winkelzüge eines brillanten, siebzigjährigen »Machtmenschen«, dessen Machthunger, wie Bismarck selbst zugegeben hatte, alles andere in ihm verbrannt hatte.
    Bismarck verfügte noch über einen letzten, wichtigen Trumpf, nämlich seine Fähigkeit, einen Reichstag zu lenken, in dem sein Kartell immer noch eine, wenn auch knappe, Mehrheit

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