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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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zu erhalten, Informationen über seine Kollegen weitergegeben hatte. Nach kurzem Zögern wurde Kanzler Hohenlohe überredet, im Namen des ganzen Ministeriums förmlich das Gesuch zu überreichen, dass der Kaiser Köller entlasse. Wilhelm lehnte das schroff ab mit der Begründung, dieses Gesuch stelle einen Eingriff in die königlichen Prärogative dar. Er »erklärte bestimmt und in wenig verbindlicher Form, dass er Köller nicht entlassen werde«, notierte Hohenlohe am 28. November 1895 in sein Journal. 85
    Erstaunlicherweise blieben die Minister aber bei ihrer Forderung und drängten den Kaiser, nachdem sie Köller selbst zum Rücktritt hatten bewegen können, dessen Rücktritt auch zu akzeptieren. Zu allem Übel lehnten sie anschließend alle Kandidaten ab, die Wilhelm als mögliche Nachfolger favorisierte. Dieser Frontalangriff auf die Handlungsfreiheit des Monarchen auf einem Feld – nämlich dem der Ernennungen -, das für die Machtausübung so entscheidend war, erschütterte und empörte Wilhelm. Er schrieb seinem Kabinettssekretär Hermann von Lucanus:
    Eine zweimalige Mitteilung meinerseits, dass mein Vertrauen zu K[öller] nicht erschüttert und somit für mich kein Grund lag, denselben zu entlassen, ist vom Staatsministerium einfach übergangen und durch einen Boykott des K[öller] mit Dilemma der Entlassung desselben oder aller für mich beantwortet worden. Der Fall ist in der preußischen Geschichte unerhört. Geht er ungerügt durch, ist damit ein sehr gefährliches Präzedenz geschaffen, indem jeder beliebige Minister, obgleich von mir angestellt, durch Staatsministerialintrigue […] an die Luft gesetzt werden kann. 86
     
    Kurzfristig erschien die »Köller-Krise« als ein Sieg für das Prinzip der kollegialen Regierung über den launischen Interventionismus Wilhelms II. Doch der Sieg hatte nicht lange Bestand. Langfristig war das Ministerium viel zu uneinig, um solidarisch den Einmischungen des Monarchen entgegenzutreten. Sein Zusammenhalt wurde nicht nur von auseinandergehenden Meinungen zur Politik untergraben, sondern auch von den politischen Ambitionen einzelner Minister wie Miquel und Posadowsky, die auch nach 1895 wie schon zuvor die Gunst des Kaisers für ihre eigenen Projekte und Karrieren ausnutzten. Ein weiterer, struktureller Grund für die Fügsamkeit der Minister lag in ihrer besonderen Stellung zwischen Parlament und Exekutive. Auf wen konnten die Minister sich denn stützen, wenn nicht auf den Monarchen? »Ohne Autorität ist keine Regierung möglich«, stellte Hohenlohe später treffend fest. »[…] Ich kann nicht gleichzeitig gegen die öffentliche Meinung und gegen den Kaiser regieren. Gegen den Kaiser und die Öffentlichkeit regieren heißt in der Luft schweben. Das geht nicht.« 87 Gerade weil das politische Spektrum so zersplittert war und weil die Minister eben nicht, wie etwa im damaligen Großbritannien, durch die Parteimitgliedschaft eine parlamentarische Mehrheit hinter sich wussten, waren sie desto stärker auf die Exekutive angewiesen, sprich: auf die persönliche Gunst des Monarchen. Im Frühjahr 1896 war der Aufstand der Minister zusammengebrochen, und die Krise war vorüber.
    Nach den Rückschlägen in der Affäre um Köller arbeiteten Wilhelm und Philipp Eulenburg an einer geheimen Strategie zur Wiederherstellung der Autorität der Monarchie. In einer außerordentlichen Denkschrift vom August 1896 erörterte Eulenburg eine ganze Palette von Optionen, zu denen selbst ein Staatsstreich zählte, wählte seine Argumente aber sorgfältig so, dass er den Kaiser zu einem verfassungsmäßigen Kurs drängte. 88 Sein Ziel war es, die Stellung des Monarchen zu stärken, indem er offene Konfrontationen mied und eine harmonischere und hierarchisch gegliederte Beziehung innerhalb des Ministeriums schuf. Der Schlüssel zu dieser Strategie sollte die Ablösung des eigenwilligen Außensekretärs Marschall – zu einem geeigneten Zeitpunkt – durch Eulenburgs engen Freund Bernhard von Bülow sein, damals deutscher Botschafter in Rom. Nach einer angemessenen Wartezeit wäre es anschließend möglich, den betagten Hohenlohe in den Ruhestand zu entlassen und Bülow zum Kanzler zu ernennen.
    Dieser Plan wurde schon bald in die Tat umgesetzt. Im Jahr 1896/97 leitete Wilhelm eine umfassende Säuberung des Ministeriums ein. Der Handelsminister Hans Hermann Freiherr von Berlepsch, der einst Wilhelms Arbeiterreformen unterstützt hatte, aber in jüngster Zeit in Ungnade gefallen war, wurde

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