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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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Christopher Andrew, »beruhte häufig auf Misstrauen und auf Mythen, die von Misstrauen hervorgebracht wurden. Die Regierungen neigten dazu, den anderen ihre eigenen imperialistischen Ambitionen zuzuschreiben.« 90
    Wenn es der deutschen Außenpolitik in der Wilhelminischen Ära an »einer einheitlichen Kontrolle mangelte«, wie George Peabody Gooch einmal bemerkte, 91 war dies womöglich eine negative Folge der Rolle, die Wilhelm spielte? Wir haben auf dem Feld der Innenpolitik gesehen, wie sehr der Flickenteppich des politischen Systems auf Reichsebene Ansprüche an eine koordinierende Funktion stellte, die Wilhelm nie erfüllte. Und es trifft mit Sicherheit zu, dass die deutsche Außenpolitik häufig mit mehr als einer Stimme sprach. Dass Wilhelms Einmischungen den zuständigen Politikern die Arbeit erschwerte, steht ebenfalls außer Frage; dass sie aber »in einem sehr erheblichen Ausmaß dazu beitrugen, die Einkreisung« Deutschlands nach 1906/07 92 zu provozieren, ist fraglich. Erstens lässt sich nicht bestreiten, dass viele Interventionen Wilhelms der offiziellen Politik die Schärfe nehmen und Türen öffnen sollten, welche die Wilhelmstraße offenbar im Begriff war zu schließen: So erklären sich seine nichtautorisierten Offerten an Frankreich und Russland Anfang der neunziger Jahre, die Versicherungen an Österreich im Jahr 1895 und seine Gesten gegenüber Großbritannien Ende der Neunziger. Außerdem ist es schwierig, Wilhelms Einfluss aus der allgemeineren Verwirrung und Unentschlossenheit im deutschen Establishment der Außenpolitik herauszulösen. Es wäre allzu einfach, dieses von vielen bemerkte Phänomen den Sünden oder Unterlassungen des Monarchen zuzuschreiben. Vielmehr war die Konfusion nicht zuletzt das Vermächtnis der völligen Unterdrückung einer kollegialen Kultur innerhalb des preußischdeutschen Auswärtigen Amtes nach 1871 durch Bismarck. Bis zu einem gewissen Grad spiegelten sich darin auch die Unwägbarkeiten der deutschen Position wider. Die Schwierigkeiten, auf die deutsche Politiker bei der Suche nach dem »richtigen« Kurs für die jüngste Großmacht stießen, sollten ebenfalls nicht unterschätzt werden. Ein Beitritt zu dem französisch-russischen Bündnis als gleichberechtigter »dritter Partner« kam, wie wir gesehen haben, nicht in Frage. Aber auch ein Bündnis mit Großbritannien barg etliche Risiken, denn was sollte verhindern, dass Deutschland in einem Konflikt zwischen Großbritannien und einem oder mehreren imperialistischen Rivalen zum Opferlamm auf dem Kontinent wurde? Zum Teil war gerade die Unauflösbarkeit dieses Dilemmas der Grund für die unentschlossene, Bülowsche Politik der »freien Hand«, wie sie genannt wurde. Deutschland versuchte demnach feste Zusagen zu vermeiden und die Gelegenheiten zu nutzen, die sich dem Land boten. Aber musste eine solche Politik nicht notgedrungen unberechenbar, improvisiert, irritierend und provokativ erscheinen?
    Der eigentliche Schlüssel zu Wilhelms Einfluss auf die deutsche Außenpolitik dürfte außerhalb der tatsächlichen diplomatischen Sphäre zu suchen sein, nämlich in seinem Plädoyer für ein umfassendes Flottenprogramm. Es besteht kein Zweifel, dass die Gefahr, so fern sie auch sein mochte, das deutsche Reich könnte die britische Hegemonie auf dem Meer herausfordern, ein Faktor für das Zustandekommen der englisch-französischen und englisch-russischen Einigungen war. Aber wie gravierend waren die Auswirkungen des deutschen Flottenprogramms denn eigentlich? Das unter Tirpitz in die Wege geleitete Schiffbauprogramm allein schloss eine Einigung mit Großbritannien keineswegs aus; im Gegenteil, es eröffnete neue Kommunikationskanäle. In den Jahren 1906, 1908, 1909/10, 1911 und 1912 – zu dem berühmtesten Treffen sollte es im März 1912 kommen – fanden meist unter maßgeblicher Beteiligung Wilhelms Verhandlungen über eine »gute, generelle Verständigung« statt, die auch ein Abkommen zur Begrenzung des Schiffbaus umfasste. 93
    Weshalb brachten die Verhandlungen so wenige Ergebnisse? Die Antwort ist nicht allein die deutsche Unnachgiebigkeit beim Ausmaß und bei der Geschwindigkeit des Schiffbaus, 94 weil Bethmann Hollweg und – wenn auch widerwillig – Wilhelm durchaus bereit waren, in dieser Beziehung Zugeständnisse zu machen. Der eigentliche Zankapfel war der Umstand, dass die Deutschen darauf bestanden, im Gegenzug etwas Handfestes zu erhalten, nämlich eine Garantie der britischen Neutralität im Fall

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