Wilhelm II.
Gewissen habe, unvereinbar sein. […] Meine Abdankung würde der Anfang vom Ende aller deutschen Monarchien sein. […] Vor allem aber verbietet mir auch meine Pflicht als oberster Kriegsherr, jetzt die Armee im Stich zu lassen. Das Heer steht in heldenhaftem Kampfe mit dem Feinde. Sein fester Zusammenhalt beruht in der Person des obersten Kriegsherrn. Geht dieser fort, so fällt die Armee auseinander und der Feind bricht ungehindert in die Heimat ein.» Noch am 3. November 1918 gab sich Wilhelm ausgesprochen kämpferisch und drohte den Revolutionären, «die Antwort mit Maschinengewehren auf das Pflaster zu schreiben». «Ich denke nicht daran, wegen der paar 100 Juden und der 1000 Arbeiter den Thron zu verlassen.»
An diesem Tag brach in Kiel – ausgerechnet in Wilhelms Marine – die Revolution aus, die sich in Windeseile über ganz Deutschland ausbreitete. Die deutschen Fürstenhäuser verzichteten auf den Thron, in Berlin drohte Chaos und Bürgerkrieg. Eine Umfrage unter den Truppenkommandeuren in Spa ergab, daß die Soldaten, «total müde und abgekämpft», nicht bereit wären, gegen ihre Landsleute für ihren Kaiser zu kämpfen, der ihnen «eigentlich ganz gleichgültig» sei. Der Vorschlag Plessens, Wilhelm möge als Deutscher Kaiser abdanken, jedoch als König von Preußen bleiben, wurde als staatsrechtlich unmöglich verworfen. Während man im Hauptquartier nach solchen Auswegen sann, mußte Prinz Max von Baden in Berlin den Thronverzicht Wilhelms II. als Kaiser und König verkünden, um Herr derLage zu bleiben. Wenige Stunden darauf rief Philipp Scheidemann die deutsche Republik aus. General Groener, der Ludendorffs Nachfolge angetreten hatte, erinnerte sich an den Moment, in dem dem Kaiser klar wurde, daß die Hohenzollernmonarchie am Ende war. «Er sagte nichts, schaute nur – schaute von dem einen zum anderen mit einem Blick zuerst der Verwunderung, dann der mitleiderregenden Anflehung, schließlich nur der merkwürdigen vagen Bestürzung. Er sagte nichts, und wir führten ihn, ganz als wäre er ein kleines Kind – und schickten ihn nach Holland.»
VII. Der rachsüchtige Exilant (1918–1941)
Ein neues Leben in Amerongen und Doorn
Am frühen Sonntagmorgen, dem 10. November 1918, erschien am belgisch-holländischen Grenzübergang Eijsden ein gespenstischer Autokonvoi. Der Kaiser hatte im Morgengrauen das Große Hauptquartier in Spa in seinem Hofzug verlassen. Aus Furcht vor einem Überfall der eigenen Soldaten war er jedoch schon nach wenigen Kilometern mit seiner engsten Umgebung in zwei Kraftwagen umgestiegen in der Hoffnung, unerkannt die neutralen Niederlande zu erreichen. Unter Beschimpfung der aufgebrachten Bevölkerung mußte Wilhelm II. in Eijsden mit dem Bahnsteig vorliebnehmen, bis der Hofzug mit dem restlichen Gefolge und den Bediensteten nachkommen konnte. Nach telefonischen Verhandlungen gewährte Königin Wilhelmina dem Kaiser Asyl, und Graf Godard van Aldenburg-Bentinck erklärte sich bereit, ihn für drei Tage in Kastell Amerongen aufzunehmen. Tatsächlich blieben die ungebetenen Gäste – die Kaiserin war nachgekommen – die nächsten 18 Monate in diesem Wasserschloß, bis Wilhelm im Mai 1920 in das benachbarte, von der Baronesse van Heemstra für 1,35 Millionen erworbene Huis Doorn mit seinem Park von 59 Hektar einziehen konnte. Am 28. November 1918 verzichtete Wilhelm förmlich«für alle Zukunft auf die Rechte an der Krone Preußens und damit verbundenen Rechte an der deutschen Kaiserkrone».
Dank der Großzügigkeit der «Saurepublik» von Weimar, wie er sie nannte, konnte der Kaiser im Exil im Vergleich zu seinen gebeutelten ehemaligen Untertanen ein beneidenswertes Leben führen. Bereits Ende November 1918 bewilligte die Berliner Revolutionsregierung «zur Führung eines standesgemäßen Unterhalts» die Überweisung von Millionenbeträgen an den Exil-Monarchen: Im ersten Jahr des Exils beliefen sie sich auf rund 66 Millionen Reichsmark. Im Mai 1921 forderte der Hausminister weitere 10 Millionen Reichsmark aus der Staatskasse an, die auch bewilligt wurden. Von Anfang an stand dem Kaiser zudem der Inhalt seines Hofzuges zur Verfügung, der unter anderem 300 Teller mit entsprechendem Silberbesteck umfaßte. Am 1. September 1919 gab der preußische Finanzminister die «für die Einrichtung der Wohnung des ehemaligen Kaisers und Königs […] bestimmten Möbel und sonstigen Einrichtungsgegenstände» frei. Nicht weniger als 59 Eisenbahnwaggons wurden benötigt,
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