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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Unmöglichkeit einer Restauration gewahr werde. Aber auch Wilhelm hatte Hermine unter anderem in der Illusion zu seiner Braut gewählt, seine Ehe mit einer blaublütigen Prinzessin würde die Chancen seiner Wiederkehr als Kaiser und König erhöhen.
Der rabiate Antisemit im Exil
    Eine Rückkehr auf den Thron wäre alles andere als ein Jubelfest gewesen. Vielmehr stand ein blutiger Bürgerkrieg und wahrscheinlich auch ein Krieg mit Polen, der Tschechoslowakei, Frankreich und Großbritannien zu erwarten. In der ganzen Welt war Wilhelm verhaßt als derjenige, dessen überbordender Militarismus, Navalismus und hegemonialer Expansionsdrang das Desaster des großen Krieges heraufbeschworen hatte. Er wurde als Kriegsverbrecher gesucht und entkam einer Verurteilung und Verbannung etwa auf die Teufelsinsel wohl nur deshalb, weil die niederländische Regierung sich weigerte, ihn andie Siegermächte auszuliefern. In Deutschland selbst hatte er den Rest der Verehrung für die Hohenzollernmonarchie, der nach seiner dreißigjährigen Herrschaft noch übriggeblieben war, durch seine Flucht nach Holland verspielt. Die Enthüllung der Willy-Nicky-Korrespondenz aus den russischen Archiven, die Veröffentlichung seiner Randbemerkungen in der Julikrise 1914, die Memoiren der Zeitgenossen, die auf den Zusammenbruch 1918 folgten – dagegen konnte Wilhelm mit seinen apologetischen Erinnerungsbüchern nicht ankommen. Bald versank er in einen brutalen paranoiden Alptraum, durchdrungen von der Vorstellung, daß satanische Machinationen am Werk gewesen seien, um ihn und alles Edle zu vernichten, wofür er zeitlebens ritterlich gekämpft habe und immer noch kämpfe: der wahre germanische Gott, die Bibel, gereinigt von jüdischer und römischer Kontamination, die autokratische preußische Militärmonarchie seiner illustren Vorfahren, das wiedererstarkte Deutsche Reich, befreit von den Ketten der anglo-französischen Entente und dem Diktatfrieden von Versailles, wieder bereit, kraft seines herrlichen Heeres seinen angemessenen Platz unter den ersten Mächten der Welt einzunehmen.
    Die Rache, die der Kaiser an seinem eigenen Volk zu üben gedachte, wäre furchterregend ausgefallen. Die Deutschen hätten «Verrat, gemeine Felonie, Feigheit» an ihm verübt; er werde ganz bestimmt «wiederkommen, aber nur auf den Knien gebeten, und dann werden die Köpfe fliegen». Die Novemberrevolution sei ein «Verrath des von dem Judengesindel getäuschten belogenen Deutschen Volkes gegen Herrscherhaus u. Heer!» gewesen, es werde dafür «schwer gestraft!» Wilhelms fixe Idee einer Weltverschwörung der Juden, Freimaurer und Katholiken gegen die protestantische deutsche Monarchie wurde in seinen Augen bestätigt durch die Ernennung Walther Rathenaus zum Minister in der vom Zentrum angeführten Koalitionsregierung Wirth im Mai 1921. Seinem Leibarzt sagte er: «Man erkenne daraus wieder die Verbindung des Ultramontanismus mit dem internationalen jüdischen Freimaurertum, denen es nur darauf ankomme, das evangelische Kaisertum nicht mehr aufkommen zu lassen. […] Dahinter steckten die Jesuiten im Auftrage Romsund man bediene sich Erzbergers als Werkzeug.» Als Matthias Erzberger ermordet wurde, tanzte der Kaiser vor Freude und ließ Sekt kredenzen; nichts habe ihm eine größere Freude bereitet seit seiner Ankunft in Holland. Die manichäische Einteilung der Welt in Gut und Böse, Gott und Satan, Christus und Antichrist, Protestantismus und Katholizismus, Monarchie und Demokratie, Deutsche und Juden, die seinem Denken im Exil zugrunde lag, fand nicht zuletzt Ausdruck auch in einem grauenerregenden Antisemitismus.
    1927 erklärte Kaiser Wilhelm II. einem amerikanischen Freund: «Die hebräische Rasse ist mein Erz-Feind im Inland wie im Ausland; sie sind was sie sind und immer waren: Lügenschmiede und Drahtzieher von Unruhen, Revolution und Umsturz, indem sie mit Hilfe ihres vergifteten, ätzenden, satirischen Geistes Niederträchtigkeit verbreiten. Wenn die Welt einmal erwacht, muß ihnen die verdiente Strafe zugemessen werden.» Von einer solchen Auffassung war es nicht mehr weit zum Antisemitismus der Vernichtung. Am 2. Dezember 1919 schrieb er eigenhändig dem allertreuesten seiner Generalfeldmarschälle, August von Mackensen: «Die tiefste und gemeinste Schande, die je ein Volk in der Geschichte fertiggebracht, die Deutschen haben sie verübt an sich selbst. Angehetzt und verführt durch den ihnen verhaßten Stamm Juda, der Gastrecht bei ihnen genoß. Das

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