Wilhelm II.
Persönliche Monarchie auch war, Wilhelm flüchtete sich lieber in den Schatten der beiden Generäle als zur parlamentarischen Öffnung hin. «Ich bin ja mit diesen beiden Leuten im siebenten Himmel», äußerte er zu einem seiner Flügeladjutanten.
Dennoch wurden Kaiser und Kanzler aufgerieben zwischen den Mühlsteinen des immer selbstbewußter auftretenden Reichstags einerseits und der Militärdiktatur der OHL andererseits. Am 12. Juli 1917 erhielt Wilhelm die Meldung, Abschiedsgesuche Hindenburgs und Ludendorffs stünden zu erwarten, da sie mit Bethmann nicht länger zusammenarbeiten könnten. Der Kaiser war empört über diese Insubordination, mußte aber einsehen, daß die Entlassung der populären Heerführer eine Unmöglichkeit war. Am folgenden Tag nahm er das Abschiedsgesuch Bethmann Hollwegs an.
Wieder einmal stand der Kaiser ratlos vor der Wahl eines neuen Reichskanzlers. In seinem Abschiedsgesuch hatte Bethmann den bayerischen Ministerpräsidenten Graf Hertling als Nachfolger vorgeschlagen, der jedoch mit dem Hinweis auf sein hohes Alter ablehnte. Gegen den Vorschlag Lerchenfelds, den ehemaligen Botschafter Bernstorff zu berufen, hatte Wilhelm II. «lebhafte Bedenken», erklärte sich aber bezeichnenderweise bereit, diese zurückzustellen, «falls Hindenburg mit ihm einverstanden» sei. Als der Chef des Zivilkabinetts es ablehnte, den Feldmarschall um seine Zustimmung zu bitten, wurde Valentini an den Chef des Militärkabinetts verwiesen. Gemeinsam beratschlagten nun Valentini und Lyncker und gerieten dabei so inVerzweiflung, daß sie sogar den Gothaischen Adelskalender konsultierten, um Kandidaten aufzutreiben. Später trat Generaladjutant von Plessen hinzu, der die Diskussion in seinem Tagebuch festhielt: «Ich traf im Militär-Kabinett Valentini. Ratlos. Lyncker dito. Es wurden in meinem Beisein alle denkbaren und undenkbaren Kandidaten nochmals rekapituliert: Dallwitz, Bülow, Tirpitz, Gallwitz, Bernstorff, Rantzau. Alle waren aus diesen oder jenen Gründen nach Valentinis Ansicht unbrauchbar. Stilles Nachdenken. Darauf schlug ich abermals Dallwitz vor. Abgelehnt, weil er schon mal erklärt haben soll, er würde dieses Amt immer ablehnen. Darauf schlug ich Hatzfeld vor. Diesen wollte S. M. nicht, ebensowenig Bülow und Tirpitz. Darauf kam mir der allseitig als klug energisch und zuverlässig geschilderte Unterstaatssekretär Michaelis in den Sinn! Valentini entzückt! Das wäre eine geeignete Kraft. Valentini, Lyncker und ich fahren mit diesem Vorschlag zunächst zu Hindenburg. Er und Ludendorff stimmen durchaus bei. Also nun wir alle drei zu S. M. – Allerhöchstderselbe erklären sich einverstanden, obwohl er ihn nur einmal gesehen hatte; er sei klein, ein Zwerg.» So wurde, nachdem die Oberste Heeresleitung quasi um Billigung gebeten wurde, das höchste deutsche Staatsamt einem Mann angetragen, den der Kaiser kaum kannte, der politisch keinen Rückhalt besaß und keinerlei Erfahrungen in der Außenpolitik vorzuweisen hatte. Michaelis trat schon im Oktober 1917 das schwere Amt an Hertling ab, der seine früheren Bedenken aufgab. Die Unterordnung Wilhelms II. unter dem mächtigen Feldherrenduo Hindenburg – Ludendorff erreichte dann im Januar 1918 mit der Zwangsersetzung seines langjährigen engsten Beraters Valentini durch den erzkonservativen Friedrich Wilhelm von Berg als Chef des Zivilkabinetts seinen Tiefpunkt.
Nach dem Scheitern der Ludendorff-Offensive im Sommer 1918 war der Krieg verloren. Für das hungernde Volk und das Heer erschien der Kaiser selbst als Hindernis für das ersehnte Kriegsende; eine revolutionäre Stimmung daheim und an der Front entwickelte sich in rasantem Tempo. Die neue Regierung unter Reichskanzler Prinz Max von Baden hoffte auf einenrechtzeitigen Thronverzicht Wilhelms II., der durch die Einsetzung der Regentschaft eines jungen Prinzen die Rettung der monarchischen Staatsform ermöglichen könnte, doch vergebens. Wilhelm erklärte: «Ich gehe nicht; tue ich es, zerfällt das Reich. […] Der Kanzler ist den Verhältnissen nicht gewachsen, das Auswärtige Amt hat die Hosen bereits gestrichen voll.» Am 1. November 1918 reiste der preußische Innenminister Bill Drews zum Hauptquartier nach Spa, um dem Kaiser im Auftrag des Kanzlers den Thronverzicht nahezulegen, doch auch jetzt schimpfte der Monarch: «Ich danke nicht ab. Es würde dies mit den Pflichten, die ich als preußischer König und Nachfolger Friedrichs des Großen vor Gott, dem Volke und meinem
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