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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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seinen Nacken drücken und diesen merkwürdigen Geruch nach Plätzchenteig und feuchten Ton einatmen, den sie immer roch, nach dem er mit seinen Freunden im Hinterhof gespielt hatte. Sie wollte, dass er ihr wieder von seinem Tag erzählte, vom Baseballmatch, das er gespielt, von dem neuen Freund, den er gefunden hatte. Sie wollte ihren Sohn. Sie sehnte sich nach ihrem Sohn.
    Aber er war nicht mehr da.
    Decatur City Observer 15. Juli 1985
    ERWACHSENENSTRAFRECHT FUR SHELLEY IM FINNEY-MORD
    Die Bezirksrichterin Billie Bennett entschied gestern, dass der fünfzehnjährige Jonathan Shelley aus Decatur für den Mord an Mary Alice Finney, ebenfalls aus Decatur, nach dem Erwachsenenstrafrecht zur Rechenschaft gezogen werden soll. Die Anwälte des Angeklagten führten mildernde Umstände an, aber von der Richterbank aus sagte Bennett, dass sie, ausgehend von früheren Verhaftungen des Angeklagten und anderen verschärfenden Umständen, keinen Grund sehe, warum der Jugendliche nicht als Erwachsener angeklagt werden solle. Der Staatsanwalt Lyle Anders kündigte an, sein Büro werde die Todesstrafe fordern. Paul Finney, der Vater des ermordeten Mädchens, sagte vor dem Gerichtssaal Reportern, er sei »erfreut« über die Entscheidung der Richterin. Shelley, dem heimtückischer Mord vorgeworfen wird, ist im DeKalb County der erste Jugendliche, gegen den nach dem Erwachsenenstrafrecht verhandelt wird. In einer separaten Entscheidung wies Bennett einen Antrag der Verteidigung auf Verweisung des Prozesses wegen Unzuständigkeit des Gerichts ab.
    Sechs verurteilte Mörder wurden im Staat Georgia hingerichtet, seit der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten die Verfassungsmäßigkeit der Todesstrafe in der Sache Gregg versus Georgia bestätigte. Der jüngste Verurteilte, der in der Geschichte des Staates je hingerichtet wurde, war der sechzehnjährige Eddie Marsh, der am 9. Februar 1932 wegen des Mordes an einem Pekannussfarmer aus dem Dougherty County sein Leben lassen musste. Im März dieses Jahres wurde der zweiundzwanzigjährige John Young, der im Alter von achtzehn Jahren drei Senioren im Verlauf eines Raubüberfalls in ihrem Haus umgebracht hatte, im Georgia Diagnostic and Classification Prison in Jackson auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.

Kapitel 9
    2. Oktober 2005
    John hatte nicht gut geschlafen, was allerdings nichts Neues für ihn war. Im Gefängnis war die Nacht immer das Schlimmste. Man hörte vorwiegend Schreie. Weinen. Und andere Dinge, an die er lieber nicht denken wollte. John war fünfzehn gewesen, als man ihn verhaftete, sechzehn, als er ins Gefängnis kam. Jetzt im Alter von fünfunddreißig hatte er mehr Jahre im Gefängnis verbracht, als er im Haus seiner Eltern geschlafen hatte.
    So laut es im Gefängnis auch war, man gewöhnte sich daran. Draußen in der Welt zu sein, schien sehr viel schwieriger. Autohupen, Feuerwehrsirenen, überall plärrende Radios. Die Sonne war heller, die Gerüche kamen ihm intensiver vor. Blumen konnten einem Tränen in die Augen treiben, und das Essen fand er fast ungenießbar. Alles besaß zu viel Aroma, und die Auswahl in den Restaurants war viel zu groß, als dass er sich hätte unbefangen an einen Tisch setzen und ein Essen bestellen können.
    Als John ins Gefängnis kam, sah man auf den Straßen noch keine Jogger in hautengen Spandex-Shorts und mit Kopfhörern über den Ohren. Funktelefone steckten in Etuis wie große Handtaschen, die man über der Schulter trug, und nur wirklich reiche Leute konnten sie sich leisten. Rap existierte im Mainstream noch gar nicht, und cool war, wer Mötley Crüe oder Poison hörte. CD-Player waren etwas aus Star Trek, und Star Trek überhaupt zu kennen, bedeutete, dass man ein Science-Fiction-Spinner war.
    Er wusste nicht, was er mit dieser neuen Welt anfangen sollte. Er verstand sie einfach nicht. Nichts war noch so, wie er es kannte. An seinem ersten Tag in Freiheit hatte er sich im Haus seiner Mutter in einem Wandschrank verkrochen, die Tür hinter sich zugemacht und geweint wie ein Baby.
    »Shelley!«, schrie Art. »Hast du vor zu arbeiten oder nicht?«
    John winkte seinem Vorgesetzten und zwang sich zu einem Lächeln. »Sorry, Chef.«
    Er ging zu einem grünen Suburban und begann das Wasser von den Seitenblechen zu wischen. Das war auch so eine Sache, die ihn schockiert hatte. Die Autos waren so riesig geworden. Im Gefängnis hatte es einen Fernseher mit nur zwei Kanälen gegeben, und die älteren Insassen durften entscheiden, was

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