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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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ihr einfach Geld geben können. Die meisten Kerle im Umkreis des Gorilla bedienten sich auf dem örtlichen Frischfleischmarkt. Ein Stückchen die Cheshire Bridge Road hinauf stieß man auf das Colonial Restaurant, einen ziemlich schlichten Laden mit billigem, einfachem Essen und jeder Menge Nutten, die auf der Straße und in den Wohnungen dahinter anschafften. Montagvormittags konnte John oft Kerle darüber diskutieren hören, was besser sei: sich früh eine holen, wenn sie noch frisch ist, und dafür mehr bezahlen oder später, wenn sie schon etwas abgenutzt ist, und dafür weniger zahlen.
    Die Ökonomie der Straße.
    »Leck mich, du Arschloch«, kreischte die Nutte und schlug Ray-Ray die Handflächen an die Brust.
    Ray-Ray knurrte etwas und stieß sie nun ebenfalls, so dass sie auf ihren Arsch fiel.
    Johns erster Gedanke war, genau dort zu bleiben, wo er war. Man mischte sich nicht in die Scheiße anderer Leute ein. So konnte es nämlich passieren, dass man umgebracht wurde. Das war zwar eine Frau, aber sie arbeitete auf der Straße. Sie wusste sich ihrer Haut zu wehren. Zumindest sah es so aus, bis Ray-Ray ausholte und ihr mit der Faust ins Gesicht schlug.
    »Verdammt«, murmelte Chico, als würde er bei einer Wrestling-Meisterschaft am Ring stehen. »Hat ihr nicht mal Zeit zum Aufstehen gelassen.«
    John schaute auf seine Schuhe hinunter, die tropfnass waren. Der Schlauch war noch aufgedreht. Deswegen konnte er Probleme bekommen. Er ging zu der Spritze zurück und wusste einen Moment lang nicht mehr, dass es »rechts zu« und »links auf« hieß. Dann rollte er den Schlauch wieder zusammen. Als er den Kopf erneut hob, war Ray-Rays Fuß in der Luft und sauste auf das Gesicht der Nutte zu.
    »Hey!«, sagte John und dann noch einmal »Hey«, als Ray-Rays Fuß das Gesicht traf.
    Anscheinend war John zu ihnen hinübergelaufen. Anscheinend hatte er unterwegs etwas so laut gerufen, dass nun auch andere auf die Situation aufmerksam wurden. Als sein Hirn seine Handlungen endlich eingeholt hatte, schmerzte seine Faust, als hätte eine Hornisse ihn gestochen, und Ray-Ray lag auf dem Boden.
    »Was soll die Scheiße!«, schrie Art. Er war auch an guten Tagen nur knapp über eins fünfzig groß, aber jetzt blieb er nur fünf Zentimeter vor Johns Brust stehen und kreischte zu ihm hoch: »Du gottverdammter Affe!«
    Sie schauten beide zu Boden. Einer von Ray-Rays Zähnen lag in einer Blutlache auf dem Trottoir. Der Kerl sah tot aus, aber keiner bückte sich, um ihm den Puls zu fühlen.
    Der Bulle stand in der Tür. John ließ den Blick langsam nach oben wandern, von den derben schwarzen Schuhen über die scharfen Bügelfalten an seiner Hose bis zum Halfter, wo eine große Hand am Griff seiner Waffe ruhte, und zwang sich dann, dem Kerl ins Gesicht zu schauen. Der Bulle starrte John direkt in die Augen, während er sein Funkgerät leiser stellte, so dass die Meldungen aus der Zentrale nur noch ein Flüstern waren. »Was ist hier los?«
    John musste sich sehr zusammennehmen, um nicht sofort mit einer Ausrede herauszuplatzen. »Ich habe ihn geschlagen.«
    »Was du nicht sagst, Arschloch!«, blaffte Art. »Du bist verdammt noch mal gefeuert.« Er stieß Ray-Ray mit dem Fuß an. »Mann, Shelley. Womit hast du ihn geschlagen, mit einem verdammten Hammer?«
    John ließ den Kopf sinken, er blickte zu Boden. O Gott. Er konnte jetzt nicht mehr ins Gefängnis zurückgehen. Nicht nach dem allen. Nicht nach allem, was er durchgemacht hatte.
    »Tut mir leid«, sagte John. »Wird nicht wieder vorkommen.«
    »Haste verdammt recht, dass das nicht mehr vorkommen wird«, blaffte Art. »Das ist der Dank dafür, dass man diesen Typen eine zweite Chance gibt.«
    »Ich entschuldige mich«, sagte John noch einmal.
    »Hey«, rief die Nutte. »Will mir vielleicht mal jemand helfen?«
    Alle Männer schauten nach unten, etwas schockiert, als hätten sie die Frau völlig vergessen. Die Hure hatte ein hartes Gesicht, eins, in dem man in den unzähligen Fältchen in der Haut ihre Lebensgeschichte lesen konnte. Blut lief ihr aus Nase und Mund, wo Ray-Rays Fuß sie getroffen hatte. Sie lag auf die Ellbogen gestützt da, eine schmutzige weiße Federboa um den dürren Hals, den verbrauchten Körper kaum verhüllt von einem purpurnen Synthetikminirock und einem schwarzen Tanktop, aus dem die Unterseiten ihrer schlaffen Brüste heraushingen. Keiner wollte sie anfassen.
    »Hey, du Ritter in glänzender Rüstung«, sagte sie und wedelte mit der Hand in Johns Richtung.

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