Will Trent 01 - Verstummt
Will regelmäßig bereitete. Was sie am meisten bedauerte, war die Tatsache, dass sie mit diesem Arschloch Michael Ormewood geschlafen hatte.
Kapitel 23
7. Februar 2006 7.36 Uhr
Will schaute auf sein Handy, um auf der Digitalanzeige die Zeit abzulesen. Verspätungen waren für ihn immer ein Zeichen von Unhöflichkeit. Es sagte einem, dass die Zeit des anderen wichtiger war als die eigene. Amanda
Wagner wusste das natürlich sehr genau. Sie war in ihrem ganzen Leben noch nie pünktlich gewesen.
»Kann ich Ihnen irgendwas bringen?«, fragte Caroline. Amandas Sekretärin war eine hübsche junge Frau, mehr als tüchtig und offensichtlich völlig immun gegen die scharfe Zunge ihrer Chefin. Soweit Will wusste, war Caroline die einzige Frau, die je mehr als eine Stunde mit Amanda Wagner zusammengearbeitet hatte.
Er sagte: »Nein, vielen Dank, aber«, Caroline wartete, während Will den rosa Postit-Zettel aus der Tasche zog, »könnten Sie die Akte dieses Mannes für mich heraussuchen? Inoffiziell, wenn's geht.«
Sie verstand sofort, was er meinte, dass sie die Recherche vor Amanda geheim halten sollte. Carolines Augen blitzten auf. »Bis wann brauchen Sie sie?« »Lieber früher als später.« Sie salutierte und kehrte an ihren Schreibtisch zurück. Will starrte die leere Tür an. Am liebsten hätte er Caroline zurückgerufen und sie gebeten, die ganze Sache zu vergessen. Angie hatte recht mit den Bauchgefühlen, und obwohl Will diesen Jonathan Shelley nie kennengelernt hatte, ließ schon der Name des Mannes bei ihm die Alarmglocken schrillen. Vielleicht war Will einfach nur eifersüchtig. Vielleicht war er müde. Angie hatte mal wieder recht gehabt, und zwar in Bezug auf die Gefahren, wenn man einem Hund zu viel Käse zu fressen gab. Will hatte auf die harte Art erfahren müssen, dass es fast unmöglich war zu schlafen, wenn man mit einem furzenden Chihuahua das Bett teilte.
Will saß in einem der beiden Sessel vor Amandas Schreibtisch. Wie seine Benutzerin war der Schreibtisch von einer peniblen Ordnung. Papiere lagen in sauberen Stapeln in den Eingangs und Ausgangskörben. Telefonnachrichten klebten in gerader Linie auf der Schreibunterlage.
Die Wände des Büros schmückten gerahmte Erinnerungen an Amandas Erfolge: der Bürgermeister von Atlanta, der ihr einen Orden verleiht. Bill Clinton, der ihr die Hand schüttelt. Einige Polizeichefs von South Georgia, die sie im Verlauf einer Geiselnahme gerettet hatte. Es gab diverse Ehrenmedaillen für treue Dienste wie auch ein ganzes Regal mit ihren Schützentrophäen.
Nach zwanzig Jahren Arbeit beim GBl im Bereich taktischer Verhandlungen hatte Amanda Wagner Lust verspürt auf eine Veränderung. Ihre Vorgesetzte hatte ihr die Entscheidung überlassen. Typischerweise hatte sie sich in den Kopf gesetzt, dass sie etwas ändern wolle, und nach einem Jahr war sie Chefin
eines Teams, das sie selbst ins Leben gerufen hatte, die Einheit zur Verbrechensfrüherkennung und -bekämpfung: das Special Criminal Apprehension Team. Nie war ein Name angemessener für die Gruppe, die sie zusammengestellt hatte.
Die zehn Männer, die Amanda als ihre Untergebenen auswählte, waren fast alle wie Will: junge Männer, die sich schon eine Weile bei der Truppe befanden und bewiesen hatten, dass sie mit anderen nicht unbedingt gut auskamen. Ihre Vorgesetzten schätzten sie als schwierig ein, aber es gab nie etwas, das eine offizielle Verwarnung, geschweige denn eine Entlassung gerechtfertig hätte. Sie waren allerdings gute Polizisten, Männer, die als Erwachsene versuchten, das Unrecht zu korrigieren, das sie als Kinder erfahren hatten. Amanda besaß ein beinahe schon unheimliches Gespür für gebrochene Charaktere, für Männer, die etwas in ihrer Vergangenheit hatten, das sie zur leichten Beute für ihre Pseudobemutterung machte. Will konnte sich gut vorstellen, wie Amanda ihre sorgfältig zusammengestellte Liste potentieller Rekruten Susan Richardson, ihrer Chefin in der Zentrale, präsentiert hatte. Wahrscheinlich hatte Susan die Liste angeschaut wie man eine Katze anschaut, wenn sie einen toten Vogel anschleppt. »Ja, vielen Dank, aber bitte entschuldigen Sie, dass ich würgen muss.«
Will rutschte auf seinem Stuhl hin und her und blickte immer wieder auf sein Handy. Er hatte zwar eine Uhr am Handgelenk, aber nur als Eselsbrücke, die im half, zwischen links und rechts zu unterscheiden. Als er heranwuchs, hatte er alle möglichen Tricks gelernt, um sein Problem zu kaschieren. Angie
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