Will Trent 03 - Letzte Worte
sprenkelte den Einband. » Ich habe versucht, es abzuwischen « , sagte er und fuhr sich über den Schmutz vorn auf seinem Pullover. » Es tut mir leid. Es war in Allisons Auto, und ich … « Er blätterte in dem Heft und zeigte ihr die krakelige Handschrift. » Ich kann nicht « , sagte er. » Ich kann einfach nicht. «
Sara wurde sich bewusst, dass Will sie kein einziges Mal angeschaut hatte, seit er die Küche betreten hatte. Er wirkte so niedergeschlagen, als würde ihm jedes Wort Schmerzen bereiten.
Saras Handtasche lag auf der Arbeitsfläche. Sie stand auf und holte ihre Lesebrille heraus. Zu Will sagte sie: » Mama hat einen Teller für Sie hergerichtet. Warum essen Sie nicht etwas, während ich mit dem hier anfange? «
Er starrte das Notizbuch vor sich auf dem Tisch an. » Ich habe keinen Hunger. «
» Sie haben das Abendessen verpasst, und wenn Sie das nicht essen, wird meine Mutter es Ihnen nie verzeihen. «
» Ich will Ihnen wirklich nicht … «
Sara öffnete das Warmhaltefach. Ihre Mutter hatte wieder für eine ganze Armee gekocht, diesmal Roastbeef, Kartoffeln, Kohl, grüne Bohnen und Erbsen. Das Maisbrot war in Alufolie gewickelt. Sara stellte Will den Teller hin und holte dann Besteck und eine Serviette. Sie goss ihm ein Glas Eistee ein und holte eine Zitrone aus dem Kühlschrank. Dann schaltete sie noch den Ofen ein, damit sie den Kirschkuchen aufwärmen konnte, der auf der Arbeitsfläche stand.
Sie setzte sich Will gegenüber und zog das Notizheft zu sich heran. Sie schaute ihn über die Brille hinweg an. Er hatte noch keinen Finger gerührt. » Essen Sie! «
» Also wirklich … «
» Das ist meine Bedingung « , sagte sie. » Sie essen. Ich lese. « Sie starrte ihn an, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie sich davon nicht würde abbringen lassen.
Widerwillig griff Will zur Gabel. Erst als er einen Bissen Kartoffel im Mund hatte, schlug sie das Spiralnotizbuch auf.
» Ihr Name steht auf der Innenseite des Einbands, zusammen mit dem Datum, der erste August. « Saras Blick wanderte zur ersten Seite. » Erster August. Tag eins. « Sie blätterte die Seiten durch. » Jeder Eintrag hat dasselbe Format. Tag zwei, Tag drei … « Sie blätterte zum Ende. » Durchgehend bis zum Tag einhundertvier. «
Will sagte nichts. Er aß, aber sie merkte, dass ihm das Schlucken schwerfiel. Sara konnte sich kaum vorstellen, wie frustriert er war, weil sie ihm das Tagebuch vorlesen musste. Er betrachtete es offensichtlich als persönliches Versagen. Sie wollte ihm sagen, dass er nichts dafür könne, aber offensichtlich hatte es ihn so viel Überwindung gekostet, Sara um Hilfe zu bitten, dass sie ihn nicht noch mehr belasten wollte.
Sie blätterte zur ersten Seite zurück. » Tag eins «, wiederholte sie. » ›Prof. C. war heute sarkastisch. Weinte danach für ungefähr zwanzig Minuten. Konnte einfach nicht aufhören. In Dr. Ks Stunde war ich wirklich sauer, da D hinter mir dauernd V Zettel zuschob und ich mich nicht konzentrieren konnte, weil sie die ganze Zeit lachten.‹ «
Sara blätterte um. » ›Tag zwei. Habe mich beim Beinerasieren ziemlich übel geschnitten. Hat den ganzen Tag wehgetan. Kam zwei Minuten zu spät zur Arbeit, aber L hat nichts gesagt. Hatte den ganzen Tag Angst, dass er mich anschreit. Ich halte das nicht aus, wenn er wütend ist.‹ «
Sara las weiter, Seite um Seite mit Allisons Gedanken über L im Diner und J, der vergessen hatte, dass sie zum Mittagessen verabredet waren. Jeder Eintrag beschrieb Allisons Gefühle in den einzelnen Situationen, aber nie in Details. Sie war entweder glücklich oder traurig oder deprimiert. Sie weinte oft ungewöhnlich lang, was angesichts der Umstände sonderbar wirkte. Trotz der emotionalen Enthüllungen hatten die Berichte etwas Steriles, als wäre das Mädchen ein Beobachter, der das Leben an sich vorüberziehen sah.
Das ganze Tagebuch durchzulesen dauerte über eine Stunde. Will aß seinen Teller leer und dann noch einen Großteil des Kuchens. Er faltete die Hände auf dem Tisch und starrte die Wand an. Er ging in der Küche auf und ab, bis er merkte, dass sie wegen der Ablenkung langsamer las. Als Saras Stimme schwächer wurde, brachte er ihr ein Glas Wasser. Schließlich bemerkte er das Geschirr im Spülbecken, und sie las weiter, während er den Hahn aufdrehte und anfing abzuspülen. Vom langen Sitzen verkrampften sich ihre Beine. Schließlich stand Sara neben ihm am Spülbecken, damit es wenigstens so aussah, als würde sie ihm
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