Will & Will
zu zeugen.
bis ich das gefühl habe, mich irgendwie um maura kümmern zu müssen, ist es fast acht. und selbst dann kümmert es mich nicht genug, um sie zurückzurufen. mit dem zurückrufen ist das so eine sache zwischen uns, wir tun es nämlich nicht sehr oft. stattdessen stürze ich an den computer, und mir ist, als würde ich mich in ein kleines mädchen verwandeln, das soeben seinen ersten regenbogen gesehen hat. ich bin zappelig und nervös und erwartungsvoll und verzweifelt und sage mir immer wieder, starr doch nicht so verkrampft auf die buddyliste, aber genauso gut könnte sie auf die innenseite meiner augenlider eingebrannt sein. um 20:05 taucht isaacs name auf und ich fange an zu zählen. weiter als bis zwölf komme ich nicht, dann poppt eine nachricht von ihm auf.
vaterkomplex: grüße!
grauingrau: und küsse!
vaterkomplex: schön, dass du da bist.
grauingrau: schön, dass du da bist.
vaterkomplex: mein job heute = so lahm! und langweilig! wie noch nie! ein mädchen wollte was klauen und hat sich dabei so was von bescheuert angestellt. früher hatte ich dafür ja mal gewisse sympathien.
vaterkomplex: aber jetzt möchte ich solche leute nur noch hinter gittern sehen. ich hab ihr gesagt, sie soll’s wieder zurücklegen, und sie nur so ›was zurücklegen?‹, bis ich ihr in die tasche lange und die cd rausziehe. und was sagt sie dann darauf? ›oh.‹
grauingrau: noch nicht mal ›‘tschuldigung‹?
vaterkomplex: noch nicht mal.
grauingrau: mädchen sind dermaßen blöd.
vaterkomplex: und jungs sind engel?
so machen wir ungefähr eine stunde lang weiter. mir wäre ja lieber, wir könnten miteinander telefonieren, aber isaacs eltern erlauben ihm kein handy, und ich weiß, dass mom manchmal meine anrufliste überprüft, wenn ich unter der dusche bin. ist trotzdem schön so, wie es ist. die einzige zeit am tag, die es wirklich wert ist.
dann verbringen wir noch die üblichen zehn minuten damit, uns voneinander zu verabschieden.
vaterkomplex: ich muss jetzt wirklich aufhören.
grauingrau: ich auch.
vaterkomplex: aber ich will nicht.
grauingrau: ich auch nicht.
vaterkomplex: morgen?
grauingrau: morgen!
vaterkomplex: ich wünsch dir was.
grauingrau: ich dir auch.
das ist eine gefährliche sache, denn normalerweise erlaube ich mir nicht, mir irgendwas zu wünschen. als kind hab ich das viel zu oft gemacht, die hände vors gesicht gehalten oder die augen fest zugekniffen und mich ganz darauf konzentriert, mir irgendwas ganz fest zu wünschen. ich war sogar davon überzeugt, dass es plätze in meinem zimmer gab, die dafür besser geeignet waren als andere – unter dem bett war gut, auf dem bett nicht; unten im schrank ging auch, solange ich dabei die schuhschachtel mit den baseballsammelkarten auf dem schoß umklammert hielt. niemals und keinesfalls am schreibtisch, aber immer die sockenschublade herausgezogen. niemand hatte mir diese regeln beigebracht – das hatte ich mir alles selber ausgedacht. ich konnte stunden damit verbringen, mir einen ganz besonderen wunsch auszudenken – und jedes mal stieß ich gegen eine wand aus völliger gleichgültigkeit. egal ob ich mir einen hamster gewünscht habe oder dass mom nicht mehr weinen muss – die sockenschublade war herausgezogen und ich saß hinter meiner spielzeugkiste, mit drei actionfiguren in der einen und einem matchbox-auto in der anderen hand. ich hab mir nie gewünscht, dass alles besser werden sollte, sondern mich immer nur auf eine einzige sache konzentriert. aber es ist nie passiert. deshalb habe ich es schließlich aufgegeben. ich gebe es jeden tag von neuem auf.
aber nicht bei isaac. es macht mir manchmal angst, wie sehr ich mir wünsche, dass es mit ihm funktioniert.
später am selben abend bekomme ich noch eine e-mail von ihm.
mein leben fühlt sich so zerrissen an. als bestünde es aus lauter papierschnipseln und jemand hat den ventilator angestellt. aber wenn ich mit dir rede, fühle ich mich, als hätte jemand den ventilator eine zeit lang ausgestellt. als könnte das alles doch einen sinn ergeben. als würdest du alles zusammenfügen.
MEIN GOTT, ICH BIN SO VERLIEBT.
Drittes Kapitel
Eine Woche lang tut sich nichts, und das meine ich nicht im übertragenen Sinn, so als würden sich keine bedeutsamen Dinge ereignen. Ich meine damit, dass tatsächlich nichts geschieht. Der totale Stillstand. Um die Wahrheit zu sagen, ein Gefühl wie im Paradies.
Nichts als Aufstehen und Duschen und Schule
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