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Will & Will

Will & Will

Titel: Will & Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green , David Levithan
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erkläre ich ihm.
    »Es ist nie zu früh, um sich Gedanken zu machen«, sagt er. Und dann fängt er an, von dem Studiengang an der Northwestern University zu erzählen, bei dem man nach sechs Jahren bereits seinen Facharzt haben kann und mit fünfundzwanzig fertig ausgebildet ist, und da sei ich nicht weit weg von zu Hause, aber natürlich könne ich auf dem Campus wohnen undsoweiter undsoweiter. Nach ungefähr elf Sekunden weiß ich, dass das für ihn und Mom bereits beschlossene Sache ist und dass sie mich frühzeitig an die Idee gewöhnen wollen und dass sie dieses Thema das ganze nächste Jahr über immer wieder anbringen werden, immer wieder und wieder und wieder, und ich weiß auch, dass ich das Ganze wahrscheinlich machen werde, falls man mich dort nimmt. Es gibt Schlimmeres, womit man sein Geld verdient.
    Wie ist das mit diesem Spruch, dass Eltern immer recht haben? »Folge dem Rat deiner Eltern, sie wissen, was das Beste für dich ist.« Und andererseits weiß jeder, dass keiner jemals diesem Rat folgt. Denn selbst wenn es wahr wäre, was sie sagen, ist es so unerträglich erniedrigend, ihren Rat zu befolgen, dass man am liebsten eine Meth-Abhängigkeit entwickeln und ungeschützten Sex mit 87.000 anonymen Partnern haben möchte. Nun ja, ich höre auf meine Eltern.
Sie wissen, was gut für mich ist. Ehrlich gesagt höre ich so gut wie auf jeden. Fast alle wissen besser als ich, was gut für mich ist.
    Undsoalso mag mein Vater davon zwar nichts ahnen, aber alle seine Ausführungen über meine Zukunft sind vollkommen überflüssig. Ich bin bereits damit einverstanden. Ich denke an völlig andere Dinge, nämlich wie klein ich mir in diesem absurd riesigen Sessel vorkomme, und ich denke an den gefälschten Ausweis, der zwischen den Seiten von Jane Austen steckt, und ich denke darüber nach, ob ich auf Tiny jetzt sauer bin oder ob ich vor lauter Ehrfurcht vor ihm erstarre, und ich denke an nächsten Freitag, wo ich ganz bestimmt einen großen Bogen um ihn mache, wenn er versucht, so wie alle anderen zu tanzen, und die Heizung wird in dem Club viel zu stark aufgedreht sein und alle werden saumäßig schwitzen, und die Musik wird so laut und schnell und hart sein, dass ich davon Gänsehaut bekomme und es mir vollkommen egal ist, was sie da eigentlich singen.
    Und ich sage: »Ja, klingt echt cool, Dad«, und er spricht davon, dass er Leute an der Northwestern kennt, und ich nicke nur noch und nicke nicke nicke.
     
    Am Montag bin ich zwanzig Minuten zu früh in der Schule, weil Mom bereits um sieben in der Klinik sein muss – ich glaube, irgendjemand hat da einen extragroßen Tumor oder so was. Deshalb lehne ich am Fahnenmast vor dem Schulgebäude und warte auf Tiny Cooper. Trotz Handschuhen und Mütze und Daunenjacke und Kapuze friert es mich erbärmlich. Der Wind fegt über den Rasen, und ich höre, wie über mir die Fahne an den Mast schlägt, aber lieber will ich
zum Eisklotz erstarren, als die Schule auch nur eine Nanosekunde vor dem ersten Klingeln zu betreten.
    Die Schulbusse spucken ihre Fracht aus, und der Rasen füllt sich mit Schülern der unteren Klassen, von denen sich keiner durch meine Gegenwart beeindrucken lässt. Und dann entdecke ich Clint, altehrwürdiges Mitglied meines früheren FFM, wie er vom Parkplatz der älteren Schüler auf mich zukommt, und ich schaffe es, mir einzureden, dass er nicht wirklich auf mich zukommt, bis sein weißer Atem wie eine kleine stinkende Wolke über mir hängt. Und ungelogen: Ich hoffe einen Moment tatsächlich, dass er sich für die geistige Beschränktheit einiger seiner Freunde entschuldigt.
    »Hallo, Fucker«, sagt er. Er nennt jeden Fucker. Meint er das als Kompliment? Oder als Beleidigung? Vielleicht beides auf einmal, deshalb ist es ja auch so praktisch.
    Ich stöhne leicht wegen seinem schlechten Atem und dann sage ich einfach nur: »Hallo.« Genauso unverbindlich. Jeder Wortwechsel, den ich mit Clint oder irgendeinem anderen Mitglied des FFM habe, läuft nach dem gleichen Schema ab: Alle Wörter, die wir benutzen, sind total sinnentleert, sodass keiner weiß, was der andere damit eigentlich sagen will. Was freundlich wirkt, kann grausam sein, Egoismus großzügig, Anteilnahme gefühllos.
    Und er sagt: »Hab am Wochenende einen Anruf von Tiny bekommen, wegen seinem Musical. Er will, dass der Schülerbeirat ihn sponsert.« Clint ist stellvertretender Schülerbeiratsvorsitzender. »Hat mich damit zugelabert. Ein Musical über einen großen schwulen

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